Beständig zum Fürchten

betr.: 86. Geburtstag von Anthony Hopkins

Seit Anthony Hopkins vor knapp 35 Jahren zum ersten Mal Hannibal Lecter spielte – als zweiter Interpret dieser Rolle – haben Schauspieler und Kunstfigur ihre rasch errungene Spitzenposition eisern behauptet. Anthony Hopkins gilt ungebrochen als Inbegriff britischer Schauspielkunst und hat die mit dem Vergessenwerden solcher Namen wie Gielgud, Olivier und Richardson freigewordene Bewunderung auf diesem Gebiet gleichsam mit auf sich genommen. Sein Dr. Lecter wird seither in einschlägigen Rankings regelmäßig zum gelungensten Filmbösewicht aller Zeiten gewählt, stets mit Norman Bates auf dem zweiten Platz. (Ironischerweise werden beide auf den realen Verbrecher Ed Gein zurückgeführt, der weder über Bates’ jugendlichen Liebreiz noch über Lecters universalgebildete Eleganz verfügte.)
„Das Schweigen der Lämmer“ ist einer dieser Filme, deren Ruhm sich längst verselbständigt hat, während viele ihn seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen haben.
Doch das ist in Ordnung: er ist nicht nur tatsächlich fabelhaft, er ist außerdem gut gealtert.

Mir ging bei der letzten Sichtung folgendes ganz nebenbei durch den Kopf:

Die berühmte Maske mit der vergitterten Mund-Öffnung, die Hannibal trägt, wenn er der Senatorin vorgeführt wird, macht ihn jünger. Vielleicht ist sie deshalb seither so gern parodiert und wiederverwendet worden.

Dass Anthony Hopkins raffinierterweise niemals mit geschlossenen Augen gezeigt wird, dass er nicht einmal zwinkert, ist Unsinn. Mit dieser Behauptung versuchen Party- und Talkshowgäste gern, ein „Ach wirklich?“ bei ihren weniger interessierten Gesprächspartnern auszulösen.

Die Synchronfassung wirkt bei jeder Betrachtung des Films sorgfältiger auf mich – was an der Gegenläufigkeit der tatsächlichen Entwicklung liegt. Hopkins’ Darstellung profitiert davon, dass es noch Rolf Schult ist, der ihn stimmlich vertritt (ein Könner, der sich bald darauf zurückzog). Der behutsam-spitzfindige Peter Matic macht aus dem Mund von Scott Glenn jedesmal große Freude, Jürgen Thormann ist wie üblich ein komödiantischer Hochgenuss – diesmal auf Anthony Heald, dem unausstehlichen Dr. Chilton. Nur in Kleinstrollen gestattet sich die Bearbeitung Nachlässigkeiten. Die wenigen Takes, von Mr. Lamar (ein Mitarbeiter des Bestattungsinstituts, der von dem versierten Kleinstrollenschauspieler Tracey Walter gespielt wird) sind fehlbesetzt und unsauber betont.

In der Filmmusik wird mehrmals eine Tonfolge aus Lou Alters „Manhattan Sereande“ zitiert – gewiss zufällig und ohne Hintergedanken.

Der Film war auf vielfache Weise stilprägend. Er setzte den Satz „Bereit wenn Sie es sind!“ in die Welt, er definierte, wie in Filmen mit Gefangenen umgegangen wird, die wir als ganz besonders gefährlich anerkennen sollen. Die Parallelmontage, in der wir fälschlich glauben, dass das FBI-Team das richtige Haus stürmen will, ist oft kopiert worden. Das Horrorhaus, in dessen Untergeschoss der Killer seine Opfer quält, inspiriert bis zum heutigen Tag den Einrichtungs- und Lebensstil unzähliger Serienmörder in amerikanischen Filmen und Serien.

Die wenigen Schwachpunkte des Films haben mich schon immer gestört, weitere sind nicht hinzugekommen. Dazu gehört etwa Jodie Fosters erster Abgang aus dem Kerkerflur (ein Affentheater wie in einem Durbridge-Hörspielkrimi). Und obwohl der Film insgesamt mit dem noch exotischen Thema sexueller Uneindeutigkeit sehr taktvoll umgeht, ist die Gestaltung des Unter-Bösewichts „Buffalo Bill“ so plump auf halbseidene Schrillheit gebürstet, dass einem die Achtziger Jahre an ihrem Ende noch einmal klebrig den Rücken herunterlaufen. Eine Kleinigkeit noch: als Jodie Foster angeblich durch das Nachtsichtgerät beobachtet wird, wirft sie gehörige Schatten.

An der Fortsetzung „Hannibal“ mochte Jodie Foster nicht mehr mitwirken. Das war in zweifacher Hinsicht eine gute Entscheidung. Erstens ist dieser Film schlichtweg Mist, zweitens wird auch ihre Figur Clarice Starling gehörig gerupft und entzaubert. Sie schafft es nicht mehr, an ihren ersten Erfolg beim FBI anzuknüpfen und muss sich einen Satz anhören, mit dem Dr. Lecter sie schon in vorigen Film aufgezogen hat: „Ihr Problem ist, dass Sie es nicht schaffen, mehr Spaß aus Ihrem Leben herauszuholen!“
Auch im Vergleich mit seinen unzähligen sonstigen Nachzüglern und -ahmern schneidet „Das Schweigen der Lämmer“ gut ab: er vermeidet die Unmäßigkeit der Mittel und das quasireligöse Gelaber, das viele davon auszeichnet (vor allem seit David Finchers „Seven“).

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