Kurze Geschichte des Rampenliedes

betr.: 76. Todestag von Richard Tauber

Wenn im Musical „The Producers“ der tuntige Hauptdarsteller des Stücks-im-Stück „Springtime For Hitler“ zu seinem Titelsong ansetzt, tritt er an die Rampe und setzt sich gewissermaßen zu seinen Fans, um ihnen wie in einer Privatvorführung (Privataudienz) zu begegnen. Damit spielt er auf Judy Garland an, die diesen Gestus in ihren TV-Shows und am Ende ihrer späten Konzerte zum Entzücken ihrer – meist homosexuellen – Fans zu einer Art Visitenkarte gemacht hatte. Diese Pose gehört ihr wie das halbe Stativ am Handmikrofon Freddie Mercury gehört.
Erste besondere Beachtung erfuhr das „Rampenlied“ im Berlin der frühen Tonfilmzeit, am Ende der Weimarer Republik – denn die aufkommenden Tonfilme konnten einen solchen „Bonus-Track“ nicht leisten. 1929 kam die gefloppte Lehár-Operette „Die gelbe Jacke“ in einer Neufassung heraus – und wurde unter dem Titel „Das Land des Lächelns“ (parallel zur auf den Börsenkrach folgenden Wirtschaftskrise) zum Publikumsrenner. „Schon vor ihrer Uraufführung am 10. Oktober 1929 im Metropoltheater wird das obligatorische Richard-Tauber-Lied, das Rampenlied, die Arie ‚Dein ist mein ganzes Herz, wo du nicht bist, kann ich nicht sein‘ mit Versen von Löhner-Beda zur Schlager-Attraktion. Bei der Uraufführung schrumpft die Arie zum Refrain, den Richard Tauber bis zu einem halben Dutzend Mal vor dem Orchestergraben wiederholt. Dies sind die Augenblicke, in denen die beschwingte Tanz-Operette zur schwülstigen Steh-Operette an der Rampe reduziert wird. Von dort aus adressiert Tauber, Rheuma geplagt, sein opernhaftes Pathos mit glühender Inbrunst pfeilgerade in schmelzende Damenherzen im Publikum“. Die hier mitschwingende Kritik der Paul-Abraham-Biographin Karin Meesmann trifft Judy Garland freilich nicht, da ihr Ritual nicht angefügtes Teil eines Musiktheaterstücks war, sondern die Krönung einer Personality-Show. Das Publikum hatte ohnehin nichts dagegen.

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