Alle philosohischen Schulen haben miteinander gemein, dass sich ein menschenwürdiges Leben auf ihrer konsequenten Umsetzung nicht aufbauen lässt. Sie alle stolpern früher oder später über die eigenen Füße, führen zu Blindstellen und haarsträubenden moralischen Verfehlungen, die dem eingangs entworfenen Idealbild niemals entsprechen können. Das gilt für die Klassiker à la Sokrates / Hegel / Kant ebenso wie für häufig missverstandene Lehren wie Ayn Rands Objektivismus. (Und selbstredend für menschenverachtenden Mist wie den Kommunismus, der schon in der Theorie nicht aufgeht.) Keine von ihnen erspart uns, zwischendurch innezuhalten und uns selbst abwägend einzubringen.
Kürzlich las ich wieder von so einem hübschen Konzept, dass sich in unserer Welt nicht durchsetzen kann (die menschliche Natur steht einmal mehr im Weg). Der US-Bestsellerautor Daniel Pink hat es Ende der Nullerjahre in „The Puzzle Of Motivation“ formuliert, populär gemacht und arbeitet seither – siehe oben – an seiner Verfeinerung. Seine Bemühungen sind der Steigerung von Motivation und Leistungsfähigkeit gewidmet. Und den Methoden, mit denen Führungskräfte diese bei ihren Untergebenen erzielen können. Sie einfach nur mit Boni und Provisionen zu locken, sei nämlich nicht genug.
Pink: „Wenn Sie mir in unserem Gespräch einen Bonus von 100 Euro für gute Antworten geben würden, dann würde ich mich sehr anstrengen. Aber ich glaube nicht, dass meine Antworten besser wären als ohne die Prämie. Sie könnten sogar schlechter sein. Denn ich würde nur an das Geld denken und darüber vergessen, ein gutes Gespräch zu führen.“ Am Anfang (bzw. am anderen Ende) dieser Überlegung steht die Bereitschaft, seine Leute erst einmal so gut zu bezahlen, dass sie nicht mehr aus existenzieller Not ans Geld denken müssen.
Wie gesagt: Pink ist kein Freund davon, den Eifer mit Belohnungen anzustacheln. „Es spricht einiges dafür, dass zum Beispiel ein Top-Fußballspieler wie Ronaldo ein höheres Grundgehalt haben sollte als viele seiner Teamkollegen. Aber wichtig ist vor allem, dass man ihn nicht vorwiegend für Tore bezahlt. Er würde bei jeder Berührung mit dem Ball versuchen, aufs Tor zu schießen anstatt den Ball zu passen und gemeinsam mit dem Team zu gewinnen.“ Individuelle Belohnungen mit hohen Einsätzen sind Gift für gutes Teamwork.
Pink schreibt auch, faire Behandlung bedeute nicht, dass man alle gleich behandeln sollte, auch bei der Bezahlung nicht. Schließlich leisten einige Menschen ja mehr als andere. (Da ist er komplett meiner Meinung und auch der von Ayn Rand.)
Das ist vieles sehr einleuchtend. Doch bei der Lektüre seiner Argumente und Überlegungen ist es mir nicht gelungen, mir einen Betrieb vorzustellen, der sich mit ihrer Hilfe führen ließe.
Gut – das können andere ja durchaus besser hinbekommen als ich.