Schreiben für Zehnjährige

Wer für Kinder schreibt, hat es ganz besonders schwer, zu seiner Zielgruppe vorzudringen – es sei denn, er ist weltberühmt oder wenigstens der Direktor eines eigenen Verlages.
Die Redakteure, Prozenten und sonstigen Verantwortlichen, die darüber zu entscheiden haben, was und wie man in diesem Segment als Autor formulieren darf – und hier ganz besonders die weiblichen Vertreter – gehen davon aus, dass Kinder nicht nur dumm sind (das stimmt teilweise), sie glauben auch, Kinder wollten um jeden Preis dumm bleiben – oder doch zumindest zu ihrem Erkenntnisstand nichts hinzugewinnen. (Solches Verhalten wiederum kenne ich nur von Erwachsenen.)
Als der vielseitige Erfolgsschriftsteller Ian McEwan dazu befragt wurde, was er denn anders mache, wenn er für Kinder schreibe, antwortete er: „So groß ist der Unterschied überhaupt nicht.“ Es gelten nur ein paar Grundsätze: „Keine Rede von Einkommenssteuern, keine expliziten Sexszenen. Natürlich gibt es Themen, die man meidet. Andererseits gibt es sehr wenig, was man mit einer Zehnjährigen nicht erörtern kann, wenn man die richtige Sprache dafür findet. Und ich habe schon immer eine klare, genaue und schlichte Prosa geschätzt, wie sie von Kindern meines Erachtens verstanden und mit Vergnügen gelesen werden kann.“ Das gilt auch umgekehrt. „Natürlich werden sich Kinder nicht zurücklehnen und die Anmut und Dichte deiner Bildlichkeit bewundern. Sie wollen, dass sie Sprache auf sie wirkt und direkt ins Geschehen trägt. Sie wollen wissen, was passiert. Vielleicht gehört diese Art der Unsichtbarkeit zu einer Zeit der verlorenen Unschuld und hat daher umso mehr Platz in einem Kinderbuch.“
Das klingt ja ungefähr so wie bei den Alten …
Eben.

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