Sidney Lumet war ein Gigant und ist unzweifelhaft der am meisten unterschätzte Filmemacher Hollywoods – in den immerhin 51 Jahren zwischen seinem ersten Kinofilm (dem Klassiker „Die 12 Geschworenen“) und seinem letzten (dem unauffälligen Thriller-Goldstück „Tödliche Entscheidung“). Keiner wird seine Könnerschaft bestreiten, aber kaum ein junger Kollege bekennt sich zu ihm, abgefeiert wird er nie. Er verschwindet spurlos hinter seinen zahlreichen Erfolgen. Selbst ich als sein großer Fan gerate beim spontanen Versuch ins Schwimmen, mir seine Hits (etwa „Network“ oder „Mord im Orientexpress“) in Erinnerung zu rufen, seine zu unrecht namenlosen (z.B. „Anruf für einen Toten“) oder zu unrecht himmelhoch gerühmten Arbeiten (siehe unten). Doch sehenswert sind sie letztlich alle, sogar wenn sie uns mit der angemessenen Behandlung ihres fürchterlichen Sujets peinigen („Der Pfandleiher“, „Ein Haufen toller Hunde“ oder „Sein Leben in meiner Gewalt“). Gerade geriet ich wieder einmal an eines von Lumets sogenannten „Meisterwerken“ und konnte mir nochmals klarmachen, warum ich ausgerechnet dieses überhaupt nicht mag.
„Dog Day Afternoon“ erhielt im Deutschen den unpassenden Titel „Hundstage“ – der Film spielt wirklich an einem einzigen Tag, wie der Originaltitel nahelegt.
An diesem Hochsommernachmittag überfallen die Amateurgangster Sonny und Sal eine kleine Bank in einem New Yorker Vorort. Der geplante Zehn-Minuten-Coup wächst sich zum zwölfstündigen Drama aus. Die beiden nehmen die Bankangestellten als Geiseln und verschanzen sich im Schalterraum. Als Sonny die Bedingungen für einen freien Abzug aushandelt, findet er sich (als einer der ersten Menschen überhaupt) als tragischer Held einer TV-Live-Reportage wieder. Selbst der Mann, für den er all dies auf sich nimmt, ist von dem Aufsehen nicht begeistert. Auf dem Kennedy-Airport kommt es zu einem überraschenden Finale …
Meines Erachtens macht der Film bereits den Fehler, uns eine vom Start weg vollkommen aussichtslose Aktion anzubieten, deren Aufwand und dessen billige Inkaufnahme von Toten und Schwerverletzten in keinem Verhältnis zum angestrebten Ziel steht. Der Ober-Bankräuber blamiert sich sogleich mit Slapstick (Tücke des Objekts), dem Fortlaufen eines seiner zwei Komplizen und – besonders übel – einer zartfühlenden Natur, der sämtliche Charaktereigenschaften fehlen, um solch einen Raub durchzuführen. Darüber sieht jeder gern hinweg, der Al Pacino liebt – das trifft auf den Regisseur und auf Millionen Kinofans zu, auf mich leider nicht. Ich mag tatsächlich jede andere schauspielerische Leistung lieber (bis hin zu den zumeist weiblichen Geiseln, die die ganze Zeit im Bild sind, ohne vordergründig viel tun zu müssen) und bestaune einmal mehr das Geschick des Regisseurs, sie alle anzuleiten. Aber es hilft nichts. Im klimatisierten Kinosessel quäle ich mich durch diesen Film, als müsste ich mit den Gefangenen in einer sommerheißen Bankfiliale sitzen, in der die Klimaanlage ausgefallen ist, und mich über die beiden Verrückten ärgern bzw. vor ihnen fürchten, die mich um meinen Feierabend betrügen.