Tom Stoppard wird das Experiment zugeschrieben, er habe ein Telefon auf der leeren Bühne so lange klingeln lassen, bis ein Mensch im Parkett die Nerven verlor, hinaufstieg und abhob.
Das ist psychologisch interessant, missachtet aber meinen privaten Ekel davor, im Zuschauerraum sitzend (mit bezahlter oder spendierter Eintrittskarte in der Tasche), an der Vorstellung gestaltend teilnehmen zu müssen. Ich habe sogar den Verdacht, das empfindet im Grunde jeder so, aber wenn man schon als gesichtslose Masse im Finsteren zusammensitzt, fällt es leicht, sich auch wie eine Herde zu benehmen. Wer da oben zu irgendetwas auffordert, der kann auf Gehorsam und Unterstützung zählen.
Selbst von mir geschätzte Humor-Solisten, quatschen gern mit einzelnen Zusehern oder fordern den Saal auf, irgendwas mitzusingen – mir graust davor.
Der erste Grund für mein unkooperatives Verhalten, der mir selber einfällt, ist dieser: ich bin gekommen, um etwas geboten zu bekommen, nicht um zu arbeiten. Dass ich zuweilen auch oben gestanden habe, macht mir die Sache nur umso plausibler, denn dort oben will ich mir umgekehrt keine wohlmeinenden Amateure dazwischenfunken sehen.
Der Autor, Kritiker und „Theater heute“-Kolumnist Georg Hensel fühlt wie ich, nennt aber einen ebensowichtigen anderen Grund zuerst: „Ich gehe nicht ins Theater, um mich Zufälligkeiten wie den Einfällen meiner Nachbarn oder der Mimen auszusetzen, dafür gibt’s Quiz im Fernsehen: mein Leben besteht aus ungeprobten Szenen, auf der Bühne sind sie mir zuwider.“
Aus dem selben Grund habe ich auch unter der in den 90er Jahren einsetzenden Mode gelitten, Laien in (täglichen) Talkshows, Quiz-Formaten und sogenannten Doku-Soaps zum Thema zu machen und agieren zu lassen. Die Sender mögen das, weil es so billig ist, und ein Teil der Zuschauer macht es mit, weil er glaubt, sich daran gewöhnen zu müssen. Der weitaus größere Teil des Publikums (ich auch) ist abgewandert und findet das Fernsehen inzwischen insgesamt doof.
Hensel tritt aber auch dem Vorurteil entgegen, es gäbe in den Sitzreihen nicht ohnehin genug zu tun.
„Einem Schauspieler abzunehmen, er vertrete den Hamlet, das ist schon eine starke Zuschauer-Leistung. Die aktive Rolle des passiven Konsumenten besteht darin, dass er sich etwas vorspielen lässt und ein bisschen darüber nachdenkt, das ist fast mehr als genug.“ Den Profis rät er: „Beschäftigt nicht ihre Beine, beschäftigt ihren Kopf!“