Jack Nicholson ist einer der größten Schauspieler Hollywoods. Er zählt übrigens zu der verschwindenden Handvoll Künstler des Medienzeitalters, die eine gerechte Bewertung durch die Öffentlichkeit erfahren haben, also weder über- noch unterschätzt wurden. Sein mehr als 60jähriges Schaffen ist so reichhaltig, dass man sich sogar seine missglückten Filme mit einem gewissen Gewinn ansehen kann, enthalten sie doch unter Umständen eine sehenswerte Leistung des Schauspielers Nicholson.
Soweit sich heute sagen lässt, ist dieses Lebenswerk abgeschlossen – selbst wenn Nicholson noch ein paar Filme drehen sollte, dürften sie ihm unter künstlerischen Gesichtspunkten nichts mehr hinzufügen. Seine jüngsten Arbeiten waren drangvoll-betuliche Feelgood-Movies, die die ganze ratlose Geringschätzigkeit zum Ausdruck bringen, die der heutige Kino-Mainstream noch für sein zahlendes Publikum übrig hat.
„About Schmidt“ ist Jack Nicholsons letzter sehenswerter Film. Obwohl er diese Rolle gehasst hat, ließ er ihr all seine Hingabe angedeihen. Das Ergebnis ist eine seiner besten Darstellungen.

Kurz nachdem der penible Versicherungsmensch Warren Schmidt in den Ruhestand geschickt wurde, stirbt seine Frau überraschend nach 42 Ehejahren. Als Mann ohne Hobbies und persönliche Interessen tut sich eine Kluft in seinem Leben auf, die nur noch davon ausgefüllt wird, dass seine im fernen Denver lebende Tochter Jeannie einen Typen heiraten will, den er für einen Volltrottel hält.
Unmittelbar vor ihrem Tode hat Mrs. Schmidt ein luxuriöses Wohnmobil angeschafft, einen Winnebago Adventurer. Schmidt beschließt, seinem in galoppierender Verwahrlosung versinkenden Heim mit diesem Fahrzeug zu entfliehen. Er will zu Jeannies Hochzeit fahren und ihr die Ehe mit diesem Randall Hertzel in letzter Minute ausreden.
Als er Jeannie von unterwegs anruft, um ihr mitzuteilen, dass er sogar ein paar Tage früher eintreffen wird, ermahnt sie ihn dringend, ihr das nicht anzutun. Schmidt lässt sich also Zeit und nutzt den Trip, der ihn auch in sein eigenes, leeres Inneres führt, um an seinem Plan zu arbeiten.
Seine Briefe an einen notleidenden Jungen in Tansania, für den er kürzlich aus einer Laune heraus eine Patenschaft übernommen hat, fungieren als eine Art Logbuch und lassen uns an seinen Gedanken teilhaben.
Die Geschichte ist jedoch kein reines Road-Movie: Warren Schmidt wird tatsächlich in Denver eintreffen – mit finsterer Entschlossenheit – und natürlich feststellen müssen, dass ihm für die Umsetzung großer Pläne schlicht die Erfahrung fehlt …
„About Schmidt“ (Regie: Alexander Payne) wurde als Komödie vermarktet, und obwohl er wirklich von hinreißender Komik ist, war das eine unglückliche Taktik. Der Film verfügt nicht über die Zutaten, die man in jenen Tagen – Anfang der Nullerjahre, als der Neoliberalismus auf dem Siedepunkt war – von einem Hollywood-Lustspiel mit Starbesetzung erwarten durfte. Es gibt keinerlei hippe Orte, keinerlei Luxus – nur viel Landschaft und die Tristesse der Mittelklasse. Es fehlt an schönen Menschen und Identifikationsfiguren – nicht nur Jack Nicholson haderte mit dem alten Versager, den er zu spielen hatte. Der Slapstick ist da, aber er ist hintergründig. Wer sich von diesen legitimen Erwartungen freimacht, kommt in den Genuss einer Gesellschaftssatire, die bodenlos ehrlich ist und die ihre Charaktere (unter ihnen die unbezahlbare Kathy Bates) dennoch niemals verrät.
Auch Meisterstücke haben ihre kleinen Fehler. Was uns irritieren könnte, ist das allweil säuberlich aufgeräumte Wohnmobil des ohne seine Frau völlig aufgeschmissenen Rentners Schmidt.