betr.: Florian Illies: „Wenn die Sonne untergeht: Familie Mann in Sanary“; Volker Weidermann: „Wenn ich eine Wolke wäre“; „Der Spiegel“ Nr. 43/2025
In einem Artikel des „Spiegel“-Literaturteils wirft Andreas Bernard einen kritischen Blick auf die aktuelle Erfolgsmasche, die Biographien großer Persönlichkeiten als Roman zu erzählen. Dass ein Publizist wie Volker Weidermann damit ein Genre regelrecht (mit)begründet haben soll, ist gleichwohl eine sehr kollegiale Einordnung. Es mag sein, dass solche Bücher gerade boomen, doch es hat solcherlei schon vielfach gegeben. Logo. Selbstverständlich. Schon ewig.
Ein beliebiges Beispiel ist mir in meiner Kindheit gleich multimedial begegnet und bis heute unvergesslich (und auch dieses war nicht das erste). 1976 erschien Alex Haleys berühmte Familiensaga „Roots“, die schon im folgenden Jahr mit großem Erfolg fürs Fernsehen verfilmt wurde. Dass diese erste umfassende Aufarbeitung der Verschleppung der afrikanischen Sklaven in die USA quasi zur Autobiographie des Autors hinführt, ändert nichts an ihrer romanhaften Schilderung von Ereignissen, die Haley nach guter Historikersitte nicht persönlich miterleben konnte. Soweit ich mich erinnere hat er damals die Formel 30% Recherche / 70% Erfindung angegeben.
Jünger noch und auch schon ewig her ist die vor lauter selbstverliebt-geschwätziger Rachsucht schier unlesbare „Biographie“, die Maria Riva ihrer Mutter Marlene Dietrich ins noch offene Grab hinterherwarf. In epischer Breite erzählt sie uns beispielsweise, was an ihrer Wiege alles geredet und später hinter ihrem Rücken getuschelt wurde. Auch sonst hört das Gequassel, hören die Schilderungen noch des popeligsten Kleinkrams nie auf. Klar: dieses Buch ist kein Roman, es läuft sogar unter „Autobiographie“, doch die im Artikel thematisierte „Illusion von Anwesenheit“ wird hier mustergültig vorgeführt.
Die aktuellen Sätze, die Bernhard aus den Werken von Weidermann und Florian Illies zitiert, sind ganz in diesem Stil gehalten: „Golo und seine halbwegs genesene Mutter sitzen noch auf der Veranda und trinken etwas, sie Lindenblütentee, er einen Wein. Kaum ein Windhauch rührt sich, die feine Mondsichel steht am Firmament, alles ist ruhig, nur in der Ferne bellen ein paar Hunde.“ Oder, genauso cheesy: “Staunend und begeistert sieht sie in den Cafés und Restaurants die Leute vor ihren vollen Tellern sitzen, vor ihren Biergläsern und Torten mit Bergen von Schlagsahne. Es scheint, als würden sie Sahne mit Sahne essen.“
Diese Schreibe ist besonders beklemmend, wenn – wie hier – das Leben einer Poetin und das eines legendären Schriftstellerclans aufbereitet werden.