Die schönsten Filme, die ich kenne (61): „Ein Mann sieht rosa“

Dem Dilemma, es seien längst alle Geschichten erzählt worden, und man könne nicht anders, als sie nur noch zu wiederholen, entgeht man am besten, indem man sich dicht am Puls der Zeit bewegt. Der „placard“ im Originaltitel dieser französischen Komödie ist jener sprichwörtliche Schrank, in dem sich Schwule verstecken, wenn sie sich als Heteros ausgeben bzw. darauf spekulieren, von selbst dafür gehalten zu werden. Homosexualität ist im Jahre 2001 kein abendfüllendes Drama mehr, aber noch sind genug fiese Vorurteile übrig, die von der political correctness nur mühsam in Schach gehalten werden.

Der herzensgute, langweilige Francois Pignon (Daniel Auteuil) arbeitet als Buchhalter einer Fabrik für Kautschukprodukte. Als er durch Zufall von seiner bevorstehenden Entlassung erfährt, verliert er den letzten Lebensmut – vor zwei Jahren ist bereits seine Ehe gescheitert – und will sich vom Balkon stürzen. Sein neuer Nachbar, der pensionierte Psychologe Belone, hält ihn davon ab und macht ihm einen Vorschlag: wenn er sich geschickt als Schwuler ausgäbe, entstünde der Eindruck, man wolle ihn genau aus diesem Grund entlassen. Diesen Vorwurf würde eine Firma, die vor allem Kondome produziert, nicht riskieren.
Es klappt: durch die anonyme Einsendung gefälschter „kompromittierender“ Fotos, wird Pignons Entlassung verhindert, und auch sonst bleibt in seinem Leben kein Stein auf dem anderen. Auch wenn ihn zunächst niemand offen auf seine angebliche Neigung anspricht, ist er seinen langweiligen Ruf los, und das bekommt ihm großartig. Sogar sein ihn verachtender Teenager-Sohn interessiert sich erstmals für ihn. Leider ergeben sich auch ein paar Schwierigkeiten …

„Le Placard“ ist ein Film von Francis Veber. Das einzige, was an die biedere Krachledernheit von dessen früherer Arbeit „Ein Käfig voller Narren“ erinnert, ist der pupsige Titel, den der deutsche Verleih dem Werk verpasst hat: „Ein Mann sieht rosa“. Seit „Tootsie“ hatte es keine Komödie mehr gegeben, die so jovial die Unfähigkeit des modernen Menschen durch den Kakao gezogen hätte, mit seinen Problemen und Luxus-Kümmernissen umzugehen (Vorurteile aller Art, Klatsch und Intrigen am Arbeitsplatz, die Wahl des falschen Partners, Versagensängste, Sex am Arbeitsplatz, drohende Arbeitslosigkeit …), und seither keine weitere.
Fast alle blamieren sich im Verlauf dieser wendungsreichen Geschichte, doch nahezu jedem und jeder widerfährt die Gnade einer zweiten Chance. Diesem Ensemble gönnt man das von Herzen – abgesehen vielleicht von der Figur des Gérard Depardieu, der dem Film hauptsächlich durch seinen großen Namen nützt. Daniel Auteuil erweist sich einmal mehr als der oszillierendste Biedermann des zeitgenössischen Films.

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