Singende Menschen? Schrecklich!

betr.: 91. Geburtstag von Stanley Donen

Stanley Donen fand Menschen, die im Alltag plötzlich in Gesang ausbrechen, peinlich – und trotzdem war er einer der beiden herausragenden Regisseure des MGM-Musicals in dessen letzter Hochphase in den 50er Jahren. Von ihm und Vincente Minnelli stammen die Klassiker des Genres – und noch einiges mehr.
Ich möchte heute die oft taktvoll vermiedene Beurteilung wagen, dass Donen der einfallsreichere der beiden war, insgesamt einfach der bessere Regisseur. Das legen nicht nur die auffallend vielen Minnelli-Musicals nahe, denen trotz guter Partitur jegliches Timing fehlt („Kismet“, „Bells Are Ringing“ und „On A Clear Day You Can See Forever“ sind die von mir am tiefsten bedauerten Beispiele), Donen hingegen war sogar außerhalb des MGM-Musical-Apparates ein hochinteressanter Filmemacher.
Seine Musicals strotzen vor jugendlicher Experimentierfreude. Auf sein Konto gehen die für lange Zeit berühmtesten Tanzszenen des Films: Gene Kellys nächtlicher Spaziergang in „Singin’ In The Rain“ und Fred Astaires Tanz unter der Zimmerdecke in „Royal Wedding“. Außerdem inszenierte Donen „It’s Always Fair Weather“, einen satirischen Geniestreich von Comden & Green, der im Sog des zu Ende gehenden Musicalzeitalters in Vergessenheit geriet.

Aber zurück zu Stanley Donens Unbehagen mit den unvermeidlichen Gesangsausbrüchen seiner Figuren.
“Niemand singt auf offener Straße – es sei denn, er spinnt!“ – „Und wenn er nun sehr glücklich ist … oder vielleicht verliebt?“ – „Nein“, bleibt Mr. Donen dabei, „er spinnt! Und auch im Film ist das sehr heikel. Wenn sowas schlecht gemacht ist, fängt das Publikum an, sich darüber lustig zu machen.“ (In „Singin’ In The Rain“ wird das in der Premierenszene eindrucksvoll vorgeführt.)
Donen erzählte gern, wie misslich ihm besonders dieser Moment war, da der Dialog plötzlich in Gesang übergeht: „Viel leichter ist es, vom Reden zum Tanz überzugehen. Irgendwie ist das nicht ganz so albern. Aber wenn jemand zu singen anfängt, wird es gefährlich. Wir haben verschiedene Möglichkeiten ausprobiert, das aufzufangen. Bei ‚Singin’ In The Rain’ fängt Kelly nicht gleich mit dem Text an sondern summt das Intro. Manchmal filme ich die Schauspieler von hinten, damit man die Lippenbewegungen erstmal nicht sieht, oder man hört sie singen, während sie die Lippen noch nicht bewegen. [– so geschehen in der Zimmerdecken-Nummer.] Manchmal sprechen sie zuerst rhythmisch und gehen dann in Gesang über. – Man muß sich da durchwurschteln.“

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