Der Mann mit der dicken Hose

betr.: 115. Geburtstag von Elmer Raguse

Seit der Mensch Filme drehte, gefiel ihm die Idee, sie müssten auch sprechen können, aber damit hatte es keine Eile. Gerade auf dem Gebiet der Komödie, mit der einst in Frankreich alles angefangen hatte, war das Drehen ohne Ton eine feine Sache. Der Regisseur quasselte unentwegt auf seine Darsteller ein, und das war dem kreativen Prozeß durchaus zuträglich. Viele der besten Gags entstanden erst, wenn die Kamera lief, und wenn etwas schiefging, ließ sich der Take häufig noch retten.
Mitte der 20er Jahre eroberte das Radio die Haushalte, und das Publikum begann, die Tonspur im Kino zu vermissen.
Mit dem Erfolg des Films „The Jazz Singer“ im Oktober 1927, in dem nur wenige Sätzchen gesprochen wurden und das auch noch außerplanmäßig*, war dieses allgemeine Bedürfnis mehr totzukriegen.

Die meisten Slapstickfilmer gingen finstreren Zeiten entgegen. Der surreale, temporeiche Witz der Sennett-Klamotten funktionierte nicht mit Ton – zumal die typischen wilden Aktionen nicht mehr durchzuführen waren: das Sound-Equipment war sperrig und schwerfällig und bremste die furiose Kameraarbeit völlig aus.
Der Comedy-Filmproduzent Hal Eoach kam noch verhältnismäßig gut zurecht. Seine Stars Stan Laurel und Oliver Hardy würden sich letztlich sogar als Profiteutre der neuen Technik erweisen.

Doch zunächst einmal mußte sich Roach damit abfinden, dass er nicht länger der unumschränkte Herrscher in seinem Reich war. Das war nun ein Kerl namens Elmer Raguse, den die Victor Talking Machine Co. aus New Jersey geschickt hatte, um die Zeit des Umbruchs vor Ort fachlich zu begleiten. Roach hatte von der neuen Ausrüstung keine Ahnung und mußte außerdem ertragen, dass sich künstlerische Entscheidungen nun schnöden technischen Erwägungen unterzuordnen hatten – ein Problem, das auch nachfolgende Generationen von Filmemachern quälen sollte.

Was alles noch schlimmer machte: Raguse galt als pingeliger Soziopath, der stets in Sorge war, sein Klangsystem könnte beschädigt werden. Seine Autorität war gewaltig. Wenn die Position der Schauspieler gut für die Kamera aber nicht ideal für die Tonaufnahme war, wurde nicht etwa das Mikrofon bewegt – die Schauspieler mussten sich anders gruppieren.

Beim Betrachten der Muster kam es schließlich zum Eklat. Roach ließ sich die Ergebnisse des Drehtages vorführen, und am Ende jedes Takes rief jemand. „Danke, gut so!“ Nach dem dritten „Danke, gut so!“ platzte dem Chef der Kragen.
“Zum Donnerwetter!“ brüllte Roach die Anwesenden an. „Schaltet sofort den Projektor aus! Ich bin der Regisseur dieses Films! Ich bestimme, welcher Take gut ist und welcher nicht!“ Zaghaft meldete sich das Skriptgirl zu Wort: „Mr. Roach, das waren Sie, der da gesprochen hat.“

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  1. Pingback: Die ZDF-Serie „Dick und Doof“ – Episodenführer - Monty Arnold blogt.Monty Arnold blogt.

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