Broadway’s Like That (32): Die goldenen 30er

9. Cole Porter – Der spitzfindige Gentleman (2)

1932 kam Porters Musical „Gay Divorce“ heraus, in dem Fred Astaire das unvergleichliche “Night And Day” sang. Einen Höhepunkt erfuhr nicht nur Porters Karriere sondern auch das Musical der 30er Jahre 1934 mit „Anything Goes“, das Porter selbst die erste seiner beiden perfekten Shows nannte. Die zweite wurde 14 Jahre später „Kiss Me Kate“.

„Anything Goes“ erzählt eine ziemlich irrwitzige, an Bord eines Ozeandampfers spielende Geschichte, zu dessen Passagieren etwa ein liebenswerter „Staatsfeind Nr. 13“ und eine zur Nachtclubsängerin gewandelte Predigerin gehören. Musiktheatralische Neuerungen brachte „Anything Goes“ nicht. Es hielt an der bewährten Musical-Comedy-Form fest. Die aber war virtuos und geistreich gefüllt. Zur Musical-Konvention  gehörte auch der Star, auf den das Material zugeschnitten wurde. Einer der Stars in „Anything Goes“ war Ethel Merman, die vier Jahre zuvor mit Gershwins „I Got Rhythm“ Furore gemacht hatte. “Flying Too High With Some Guy In The Sky Is My Idea Of Nothing To Do”, singt sie, und wie man hört, schlägt Porters Imagination als Textdichter mit dieser Explosion von Binnenreimen ironische Wolken. Ein trick-, geist- und anspielungsreicher Songtext – und darin ist er Meister – war ihm zumeist wichtiger als die Frage des dramaturgischen Zusammenhangs. Auch wenn Porter selbst seine Arbeitsweise beschreibt, ist von einer etwaigen Einpassung in den Kontext nicht die Rede.

„Zuerst überlege ich mir eine Grundidee für einen Song, dann fasse ich sie in einen Titel zusammen, dann fange ich an der Melodie an zu arbeiten, wobei ich den Titel an bestimmten Stellen der Melodie einsetze, dann schreibe ich den Text – zuerst das Ende. Auf diese Weise hat er einen pointierten Schluß.“

Den zeitbezogenen Anspielungsreichtum seiner Texte treibt Porter in “You’re The Top”, dem bekanntesten und häufig parodierten Song aus „Anything Goes“, auf die Spitze. Um zu verdeutlichen, wie sehr der oder die Angesungene spitze ist, wird zum Vergleich alles herangezogen, was die Amerikaner damals faszinierte oder ihr Leben bestimmte – von Zellophan und Pepsodent bis zu Fred Astaires Füßen und Mickey Mouse. 1971 sang die junge Barbra Streisand diesen Song im Vor- und Abspann ihrer Filmkomödie „What’s Up, Doc?“ und legte damit – unterstützt von dem Arrangeur Artie Butler – die vielleicht schönste Version dieses zigmal produzierten Titels vor. Auch der Titelsong von „Anything Goes“ funktioniert nach diesem Prinzip. Wenn das und das möglich ist – und der Text zählt die absurdesten Begebenheiten voller zeitbezogener Anspielungen auf – dann geht alles, zu einer Zeit, da alles Kopf steht, sich alle Werte verkehrt haben.

Forts. folgt

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