Science-Fiction ohne Roboter

betr.: „Die Stadt ohne Juden“ als Hörbuch

Die verzagte Handlungsunfähigkeit der im Grunde herzensguten Linken, die sich bereits im Spanischen Bürgerkrieg, am Ende der Weimarer Republik und aktuell wieder im Angesicht braunen Gebrodels zeigte und zeigt, wurde bereits vor knapp hundert Jahren in einer Fiktion beschrieben. Der satirische Roman „Die Stadt ohne Juden“ zeigt Österreich in einer Gemengelage wie sie im vergangenen Jahr nach kurzer Zeit wieder zerbrach: eine Koalition der „Christlichsozialen“ mit den ganz weit Rechten. In diesem Märchen nutzt die Koalition ihre Mehrheit, um den seit jeher in der Alpenrepublik existierenden Vorbehalten gegen das Judentum Taten folgen zu lassen: die Juden werden per Gesetz aufgefordert, das Land – je nach persönlicher Situation, sozialer Stellung und eventuellen arischen Anteilen – spätestens binnen eines Jahres zu verlassen.
In Hugo Bettauers „Roman von übermorgen“ gibt es selbst in Europa noch zahlreiche Emigrationsmöglichkeiten. So ist es am Ende nur Österreich, das wirkliche Probleme bekommt.

Obwohl sich diese Erzählung keine zehn Jahre später als sehr frommer Wunsch erwiesen hat, kann man sich ihrer Logik über weite Strecken nicht entziehen, watet man durch die präzisen Ausführungen der konservativen Politiker, die minuziös wiedergegeben werden, und rutscht immer wieder in Übereinstimmungen mit der Gegenwart hinein: in das Verschwimmen der politischen Gegensätze in der demokratischen Mitte, in den Zusammenhang von schlechter Politik und Geldentwertung, in die Wichtigkeit sexueller Frustration für politische Radikalisierung, in die schlimmen Folgen selbst für jene, die auf die dumpfe Hetze hereinfallen und natürlich in die traditionelle Hilflosigkeit des linken Lagers wenn’s mal wirklich drauf ankommt (siehe oben).
„Die Stadt ohne Juden“ erzählt auch von der schwierigen Umkehrbarkeit eines einmal eingeschlagenen Irrweges selbst durch Neuwahlen. Sogar an böse Überraschungen wie die Wahl Donald Trumps oder den Ausgang des Brexit-Referendums werden wir in einem der späteren Kapitel erinnert.
Der einzige aktuelle Bezug, der in diesem Text vollkommen fehlt, ist der Klimawandel – obwohl sich auch zu „Fridays For Future“ ein passender Satz darin findet: „Es handelt sich um keine politische Angelegenheit, sondern um Taten der Verzweiflung“.
Und so kann man dieses Werk auch in den schröcklichsten Passagen noch mit einem Rest von Heiterkeit und Optimismus genießen.

„Die Stadt ohne Juden“ ist antiquarisch zu haben. Letztes Jahr wurde die zwei Jahre nach Erscheinen des Buches produzierte stumme Verfilmung desselben als restaurierte Wiederentdeckung auf arte gezeigt.
Ich hatte soeben die große Freude, das Hörbuch einsprechen zu dürfen, das am 1. März bei Hierax Medien erscheint
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Eine Antwort zu Science-Fiction ohne Roboter

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