Geschichte des Komiker-Handwerks (44)

betr.: Weibliche Comedians

Fortsetzung vom 7.9.2020

Joan Rivers war gut 15 Jahre jünger als Phyllis Diller (die sich gewissermaßen als „komische Alte“ produziert hatte) und wählte sich ein anderes Image. Sie trat als eine Art weibliches (und attraktiveres) Gegenstück zu Woody Allen auf: mit dem Alltag im Allgemeinen und vom anderen Geschlecht im Besonderen restlos überfordert, verkörperte auch sie den neurotischen jüdischen Großstadt-Menschen (Rivers war Halbjüdin). Ihr immens beschwerlicher Weg an die Spitze – sie schaffte es schließlich, weil sie in der „Tonight Show“ für eine erkrankte Kollegin einspringen durfte – hatte sie ebensosehr auf die Schattenseiten des Lebens ausgerichtet wie eine Kindheit als fettleibige Außenseiterin. Auch wenn sie von ihrem „persönlichen Umfeld“ sprach, zeichnete sie mit Vorliebe Portraits lebensuntüchtiger Typen. Einmal verarbeitete Joan Rivers eine aufgelöste Verlobung gleich beim nächsten Auftritt in ihrem Programm, eine künstlerische Sublimation, die in diesem Maße nur in der Comedy möglich ist.

Doch wenn Frauen selfdeprecating Humor praktizieren, ist das nicht das Gleiche wie wenn Männer es tun.
Rivers, Phyllis Diller und Totie Fields, den drei populärsten weiblichen Stand-Up Comedians der 60er Jahre, wurde von Karen H. Stoddard in einer Fachpublikation der Vorwurf gemacht, mit ihrer Darstellung die vorherrschenden frauenfeindlichen Strukturen untermauert zu haben.
Später fanden sich auch Fürsprecher. Martin & Segrave lobten die Eisbrecher-Funktion, die diese Damen für jüngere Kolleginnen ausübten, auch für jene, die ganz andere Wege beschreiten wollten. Die selbstbewusste Lily Tomlin konnte Ende der 70er Jahre von ihrem Erfolg profitieren. In den 80er Jahren machte eine ganze Reihe von Komikerinnen Furore, etwa Gilda Radner, Carol Siskind, Elayne Boosler oder Sandra Bernhard*. Sie alle wurden noch von Whoopie Goldberg überstrahlt, die als Schwarze noch eine Reihe zusätzlicher Ressentiments zu überwinden hatte.
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* To her everlasting glory verewigt in … https://blog.montyarnold.com/2017/04/17/die-schoensten-filme-die-ich-kenne-king-of-comedy/

Auszug aus dem Essay „Humor Omnia Vincit“

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