Broadway’s Like That – Vorwort

betr.: Geschichte des Musicals

Das Genre als Schall und Rauch

Das Kabarett ist eine Kunstform, die von Anfang nicht nur ihren Namen kannte (und das buchstäblich vom ersten Tage an), sondern auch ihre popkulturelle Verortung wusste (ohne dass der Begriff „Popkultur“ schon existiert hätte).*
So viel Selbstreflexion ist die große Ausnahme.
Dass man es bei den Spielarten des Jazz mit einer einzigen komplexen musikalischen Strömung zu tun hatte, begriffen die Interessierten New Yorker Kreise gut 30 Jahre nachdem Scott Joplin in New Orleans seine ersten Ragtimes gespielt hatte. Gilbert & Sullivan glaubten im 19. Jahrhundert noch, sich auf dem Gebiet der „Savoy Opera“, einer britischen Variante der Komischen Oper, zu betätigen, ehe sie von der Nachwelt der Operette zugerechnet wurden.
Das Musical hieß noch „Musical Comedy“, als es mit „Show Boat“ seinen ersten Welterfolg und mit „Tea For Two“ seinen ersten Welthit (im Sinne eines „Schlagers“) hatte. Die Vernachlässigung von deren Vorgeschichte führte dazu, dass man noch in den 70er Jahren Vincent Youmans (den Komponisten von „Tea For Two“) als ersten Musical-Komponisten betrachtete – bevor man sich in dieser Hinsicht kotrrekterweise auf Victor Herbert verständigte.
Eine Quelle listet es noch präziser auf: Sie lobt sechs frühe Broadway-Komponisten dafür, „die amerikanische Operette europäischer Provenienz ihrer Vollendung“ zugeführt und damit einen außerordentlichen Beitrag zum Entstehen des Genres Musical geleistet zu haben: Gustave Kerker (1857-1923) mit „The Belle Of New York“ (nicht zu verwechseln mit dem Fred-Astaire-Film von 1952), Ludwig Englander (1859-1914) mit „The Strollers“, Gustave Luders (1866-1913) mit „The Prince Of Pilsen“, Karl Hoschna (1877-1911) mit „Madame Sherry“, Rudolf Friml (1879-1972) mit „Rose Marie“ und Sigmund Romberg (1887-1951) mit „The Desert Song“.
Das Lob ist insofern korrekt, als die genannten Künstler originale Bühnenwerke für den Broadway geschrieben haben, nachdem man sich dort lange mit Adaptionen und Verfremdungen europäischer Opern und Operetten begnügt hatte. Damit beförderten sie die Abkehr vom importierten Repertoire. Zur Erschaffung einer ur-amerikanischen Form des Musiktheaters bildeten ihre Arbeiten jedoch keinen Beitrag, da sie die europäische Operettenmanier weiterpflegten. Auch den Titeln merkt man diese Konzeption noch an.
Als sich Sigmund Romberg 1928 für das Musical „Rosalie“ die Unterstützung von George und Ira Gershwin wünschte, merkte der Kritiker Alexander Woollcott an: „Bruder Romberg hat seine üblichen donnernden Chöre geschrieben, die man genießt, solange sie auf einen einbrüllen und die man im Foyer bereits vergessen hat.“
Erst Jerome Kern hat aus der amerikanischen Operette das Musical entwickelt.**
_____________________
* Siehe https://blog.montyarnold.com/2015/01/18/ist-ein-chanson/
** Siehe https://blog.montyarnold.com/2016/07/01/broadways-like-that-15-in-der-werkstatt/.

Dieser Beitrag wurde unter Kabarett-Geschichte, Musicalgeschichte, Musik, Popkultur, Theater abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert