Der Komiker und die Berufswahl

In einem Buch über den klassischen (also den amerikanischen) Gangsterfilm fand ich einst eine Erläuterung, was Menschen für ihren Beruf prädestiniert. Danach wird das bürgerliche Individuum bei der Berufswahl von drei Komponenten manipuliert: 1. durch die Nichteignung für andere Berufe oder das Scheitern daselbst. 2. durch Talent für den gewünschten Beruf. 3. durch Neigung für gewisse in der Form der Berufstätigkeit zum Ausdruck kommende Rituale und soziale Beziehungen.
Ich sah mich um und stellte fest: diese Definition mochte vielleicht auf Gangster zutreffen; in meinem sozialen Umfeld, in der für mich sichtbaren Welt lief es anders ab. Die meisten Menschen übten ihre jeweiligen Berufe aus, weil sich ihre Eltern dafür entschieden hatten, und wie gut sie das machten, spielte überhaupt keine Rolle. In meiner Nachbarschaft lebte eine Familie, deren Konzept mir meine Mutter so erklärte: „Der Älteste ist Metzger geworden, damit es immer billiges Fleisch gibt, und zweite ist Klempner geworden, damit man niemanden rufen muss, wenn zu Hause was kaputtgeht.“

Als ich jedoch den Komikerberuf ergriff, den ich immerhin 16 Jahre lang ausgeübt habe, schien alles zu stimmen, was mir über den Gangster erklärt worden war. Auch bei meinen Kollegen ließ sich das feststellen.
Ich wurde Komiker, weil ich als ehemaliger Klassenclown zwar zur Bühne wollte, aber kein Talent für ein Musikinstrument aufwies und mich die Schauspielschule nicht genommen hat. (Komikerschulen gab es nicht. Die Versuche etwas Derartiges zu etablieren, die Mitte der 90er Jahre in Köln unternommen wurden, kamen nicht über kurzlebigen Murks hinaus.)
Auf mich traf es also zu: „Nichteignung für andere Berufe“. Einen gewissen Erfolg wiederum hatte ich auf der Bühne – jedenfalls einen deutlich größeren als im Rest meines Lebens. Und drittens: mir gefielen die einschlägigen „Rituale“ und „Beziehungen“ dieses Gewerbes. Zumindest einige davon. Ich war gern unter Kollegen und erfreute mich am Dialog mit dem Publikum. (Was ich hingegen gehasst habe, war das ewige Herumfahren und Unterwegssein.) Die meisten Komiker meiner Generation waren tatsächlich Leute, die zuvor einen bürgerlichen Beruf zumindest angestrebt hatten. Und mit den Gangstern haben viele von uns die stille Sorge gemein, man könnte uns eines Tages auf die Schliche kommen: „Sie sind verhaftet! Und jetzt rücken Sie gefälligst ihre geklauten Witze raus!“

Auszug aus dem Essay „Humor Omnia Vincit“

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