Jack Arnold über das Studiosystem

betr.: 30. Todestag von Jack Arnold

Nach dem Zweiten Weltkrieg zählte Jack Arnold zur Riege der Vertragsregisseure in Hollywood, die mit den Mitteln des B-Films ein Maximum an Wirkung erzielten. Er schuf für sein Haus-Studio, die Universal, sogar mehrere Klassiker.* Obwohl ihn Bitterkeit befiel angesichts der verpassten Chance, einmal über ein großes Budget gebieten zu dürfen, fand er in seinem späten Interview mit dem WDR nur lobende Worte über das Studiosystem, jenes früheste Kapitel der Geschichte Hollywoods, in der den Produktionsfirmen nicht nur die Kinos, sondern auch die Schauspieler gehörten. Obwohl diese Unterhaltung inzwischen fast 40 Jahre zurückliegt, ist Arnolds Fazit ebenso gültig wie die Schilderung der historischen Verhältnisse.**

Damals hatte man festangestellte Schauspieler, Regisseure und Produzenten. Ich arbeitete 52 Wochen im Jahr und wurde für 52 Wochen im Jahr bezahlt. Wir bekamen unsere Aufträge zugewiesen, man drückte uns ein Drehbuch in die Hand und sagte: „Das ist Ihr nächster Film.“ Wenn man einen Film nicht machen wollte, bekam man einen anderen, und wenn man den auch nicht machen wollte, wurde man so lange suspendiert, bis man einem Drehbuch zustimmte. Normalerweise akzeptierte man aber jedes Projekt, denn man wollte ja schließlich nicht sein Gehalt verlieren. Das war einer der Nachteile. Der Vorteil aber war, dass dieses Studio – und ich nehme an, dass es sich mit den meisten anderen genauso verhielt – wie ein Country-Club funktionierte. Das Produktionsbüro stand im Dienste des Regisseurs und nicht umgekehrt, zwischen den verschiedenen Teams herrschte echte Kameradschaft, und wenn man einmal ein Team hatte, behielt man es auch. (…) Ende der 40er, Anfang der 50er Jahre brachte dieses Studio sechzig Filme pro Jahr heraus. Und ich drehte fünf Filme pro Jahr. Die Arbeit machte Spaß (…) Heute ist es so, als ob man für General Motors arbeitet, heute arbeitet man für Konglomerate. Die Studiobosse damals, auch wenn sie Bastarde waren, verstanden etwas vom Filmemachen. Jack Warner, Louis B. Mayer und wie sie alle hießen: das waren keine besonders netten Menschen, aber sie wussten, was sie wollten. Wenn sie sich Muster ansahen, dann wussten sie, was sie vor sich hatten. Sie erwarteten keine fertigen Kunststücke, sie hatten zumindest das Drehbuch gelesen und eine Ahnung davon, was danach kommen würde. Heute werden die meisten Studios – praktisch alle – von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Geschäftsleuten geleitet, die wenig oder gar keine Ahnung vom Filmemachen haben. (…) Früher bestand die Studioleitung aus Leuten, die sowohl von der kreativen als auch von der geschäftlichen Seite des Filmemachens etwas verstanden. Außerdem gaben sie jungen Leuten die Chance, im B-Film Erfahrung zu sammeln. Es gab Schulen für Vertragsschauspieler, in denen es nicht nur eine Sprech- und Schauspielausbildung gab, sondern auch Dinge wie Fechten, Reiten und alles mögliche andere unterrichtet wurde. So schuf sich das Studio ein Reservoir an jungen Schauspielern, die allmählich in den Filmen aufgebaut wurden. Und diejenigen, die genügend Persönlichkeit und Starqualitäten besaßen, schafften es und wurden schließlich Stars. (…) Wenn (heute zum Beispiel) ein Weltraumfilm Geld einspielt, dann machen sie sofort einen ganzen Haufen Weltraumfilme, egal, ob gut oder schlecht. Da man in Hollywood der Ansicht ist, das Publikum bestehe in erster Linie aus 12- bis 24jährigen, glaubt man, nur noch Filme für Jugendliche produzieren zu müssen.
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* Siehe https://blog.montyarnold.com/2018/07/05/die-schoensten-filme-die-ich-kenne-69-die-unglaubliche-geschichte-des-mr-c/
** Zum Ende des Studiosystems siehe auch https://blog.montyarnold.com/2022/01/18/new-hollywood/

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