Licht aus im Radiokino

betr.: „Tonart Filmmusik “ (Deutschlandfunk Kultur) im neuen Schema

Filmmusik hat es im öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch nie leicht gehabt, doch in letzter Zeit kommen die Wände bedrohlich näher.
Auf BR Klassik hat unlängst eine neue Generation den Regler übernommen (der ST. GEORGE HERALD berichtete), die den glotzäugigen Stil ihres pensionierten Lehrmeisters ins Extrem treibt – wobei der immerhin von Zeit zu Zeit etwas Archivbewusstsein erkennen ließ. „BR Klassik Cinema“ ist nur noch an aktuellen Trends, Film- und Streamingstarts interessiert. Das hätte seine Berechtigung, wenn recherchiert und in Rezensionen Farbe bekannt würde. Doch statt das aktuelle Filmangebot redaktionell auszuleuchten, wird einfach die Reklame nachgebetet. Dabei muss man dankbar sein, dass Filmmusik im Radio überhaupt noch stattfindet. MDR und WDR haben die einschlägigen Formate schon lange versickern lassen.
Auch auf Deutschlandfunk Kultur werden beim Soundtrack als Programmfarbe neue Saiten aufgezogen. Seit der vergangenen Nacht findet die „Tonart Filmmusik“ nur noch einmal monatlich statt. Die auf vier Stunden verdoppelte Portion täuscht, bedeutet sie doch insgesamt eine Halblierung der bisherigen Sendezeit. Die Moderation dieser Eisscholle teilten sich zuletzt drei Kollegen, die nun wohl rotieren werden. Oliver Schwesig wird sich auch weiterhin nicht für Soundtracks interessieren und sich entsprechend unbekümmert durch seine Präsentation stolpern. Vincent Neumann mag Filmmusik überhaupt nicht, obwohl er erkennbar gern Netflix schaut und zu Pressevorführungen geht. Insofern ist es ein tröstliches Zusammentreffen, dass die erste Ausgabe der neuen Kompakt-„Tonart“ von Birgit Kahle moderiert wird, der einzigen in dieser Runde und auf weiter Flur, der diese musikalische Stilrichtung tatsächlich am Herzen liegt und die sie nicht nur als austauschbares Anhängsel eines anderen, höherwertigen Mediums betrachtet.

Wie schön es sein könnte, kann nachfühlen, wer mal eine Jazz-Sendung einschaltet (auch dieser eine Nische, aber eine offiziell als Kunstform anerkannte). Weder das Alter einer Aufnahme oder Komposition noch gewisse Fachkenntnisse sind etwas, wofür man sich schämen müsste. Wenn es um Jazz geht, sitzen senderübergreifend Aficionados am Mikrofon, die niemals versuchen würden, sich an eine imaginierte „breite Masse“ anzubiedern – was mitten in der Nacht auch reichlich albern wäre. Stattdessen sprechen sie eine Einladung aus und wenden sich an den ergebensten anzunehmenden Zuhörer. Damit erreichen sie auch mich, der ich mich mit Jazz nicht wirklich gut auskenne.
Vincent Neumann klingt immer so, als wollte er sagen: „Filmmusik ist doch gar nicht so schlimm!“ Und dann werden zur Beruhigung erstmal drei Popsongs aufgelegt.

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