Eine Ente optimiert sich selbst

betr.: 86 Jahrestag der Uraufführung von „Don Donald“, in dem Donald Duck erstmalig als Hauptfigur auftritt

Donald Fauntleroy Duck teilt seinen zweiten Vornamen mit dem „Kleinen Lord“, der zu Weihnachten immer im Fernsehen kommt. Ursprünglich ist er nur ein Nebendarsteller. Wir treffen ihn auf seinem Boot (folgerichtig im Matrosenanzug), und bald darauf ist er der Star seines gesamten Programmumfeldes. (Bei „Popeye“ war es übrigens fünf Jahre zuvor ganz genauso!*) Was wurde eigentlich aus diesem faulen Ferkel, mit dem Donald bei seinem Debüt noch ein Duo gebildet hat? Die Frage ist obligatorisch und die Popkultur reich an solchen Schicksalen.

Die einen Hornpipe tanzende Ente auf dem verfallenen Boot auf der Skizze für „The Wise Little Hen“ ist die erste bekannte Zeichnung von Donald Duck (Bild: Ehapa Comic Collection)

Andreas Platthaus hat hervorgehoben, was den zweiten großen Disney-Star vom ersten, der Mickymaus, unterschied: „das ausdrucksstärkste Gesicht aller Trickfiguren“, „fast nur aus den riesigen Augen und dem breiten Schnabel bestehend“. Von diesem Look war Donald bei seinem initialen Auftritt im musikalischen Cartoon „The Wise Little Hen“ (1934) allerdings noch weit entfernt: er sah eher aus wie später Franz Gans. Rasch wandelte er sich (unter Mitwirkung verschiedener Zeichner) zu dem, den wir heute kennen. In seinem zweiten Film – hier scheitert Donald bei einem Wohltätigkeits-Auftritt vor Mäuse-Waisenkindern – erleben wir bereits sein bis heute wichtigstes Erkennungszeichen, den allzeit leicht erregbaren Wutausbruch. Dieser macht ihn eindeutig als frühen Disney-Charakter kenntlich (heute ist Putzigkeit bei jenen Geschöpfen oberstes Gebot!) und verweist auf sein Geburtsjahr 1934. Es war die Blütezeit der Großen Depression in den USA, und das Publikum hatte für eine gewisse Derbheit immer Verständnis. Zumal Donald bei seinen cholerischen Anfällen sogar den Hintern über den Kopf wuchten konnte. Das brachte nicht einmal Louis de Funès fertig, der ihn als wichtiges Vorbild benannt hat.

Im Trickfilm kommt zu diesem Gesamtkunstwerk noch die akustische Ebene hinzu. In meiner Jugend hat man in der deutschen Synchronisation noch darauf verzichtet, Donalds herrliches Gequake (bzw. das Gequake von Clarence Nash) zu synchronisieren. Das mag am Fehlen eines geeigneten Sprechers gelegen haben, machte aber auch nichts aus, da es hier ohnehin nicht auf inhaltliche Feinheiten ankommt. Inzwischen „spricht“ Donald Duck bei uns grundsätzlich deutsch, auch in den klassischen Cartoons, die dadurch nicht unbedingt witziger geworden sind. 

Optisch war Donald im Alter von etwa drei Jahren weitgehend ausdefiniert (also „ganz der Alte“): in „Don Donald“, dem ersten Film, in dem er eine Hauptrolle spielt.
Sein Wirkungsfeld wuchs, und er wandelte sich weiter. In den frühen Tagen der „Mickymaus“ und der „Lustigen Taschenbücher“ wurden die Zeichner und Autoren – anders als die Beteiligten der Zeichentrickfilme – nicht genannt. Selbstverständlich fiel uns Schul-Kids schon damals auf, dass es in den Comics große stilistische und qualitative Unterschiede gab. Die meisten von uns dürften unbekannterweise an der Arbeit von Carl Barks besondere Freude gehabt haben – wiewohl dieser in den Taschenbüchern praktisch nicht vorkam. Es hat sich herumgesprochen, dass Barks zwar nicht Donald, Daisy und die Neffen erfunden hat, aber so ziemlich alles andere: Onkel Dagobert und seinen Geldspeicher, die Panzerknacker, Gundel Gaukeley und Daniel Düsentrieb … – kurzum: Entenhausen, wie es lebt und webt.
Doch auch das ist nur die halbe Wahrheit, und diese wird in den Feuilletons noch immer gern verschwiegen. Wir Lustigen Taschenbüchler haben Donald und Co. von italienischen Künstlern präsentiert bekommen, dem Stab der Taschenbuchreihe „Topolino“**. Mittlerweile kann man ihre Namen im Internet oder im Jubiläums-Prachtband „50 Jahre Lustiges Taschenbuch – Die Retrospektive“ nachschlagen. Doch bis heute wird allenthalben so getan, als gäbe es außer Barks keinen wirklich wichtigen Gestalter von Donald Duck und seiner Welt. Immerhin Don Rosa ist anderer Meinung: er findet vor allem Don Rosa wahnsinnig wichtig.
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* Siehe https://blog.montyarnold.com/2014/09/22/der-multimedia-spinatmatrose/
** Diese Kollegen werden hier bei jeder Gelegenheit gepriesen, etwa unter https://blog.montyarnold.com/2019/04/04/medizinische-missverstaendnisse/ oder https://blog.montyarnold.com/2018/02/06/die-schoensten-comics-die-ich-kenne-20-stadt-in-hypnose/.

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