Endlich wiedergesehen: „Solaris“ (1972)

betr.: 117. Geburtstag von Stanisław Lem 

Vor einiger Zeit habe ich an dieser Stelle in der Mühseligkeit geschwelgt, die beim Anschauen eines Tarkowski-Films über uns irdische, westlich-verweichlichte Wesen kommt. Ich gab zu, von der Sogwirkung des „Solaris“-Plots gebannt zu sein, den ich nach wie vor gern einmal in wirklich bewegten Bildern sehen möchte. Ehe ich dem Remake von 2002 eine weitere Chance geben, habe ich es noch einmal mit Tarkowskis 30 Jahre älterer Version aufgenommen. Und wieder hat sich die Zeit in einer Weise gedehnt, die dem Autor der Vorlage, dem großen Stanisław Lem, zumindest aus raumphysikalischen Gesichtspunkten sicher imponiert hätte.
Folgendes ist mir diesmal immerhin positiv aufgefallen:

Technische Hellseherei ist die vornehmste Nebenbeschäftigung der Science-Fiction. Auf Tarkowskis Solaris existieren Bildschirme im Letterbox-Seitenverhältnis, was unbestreitbar prophetisch ist! Ich bin mir nicht sicher, aber Breitbildschirme tauchten in anderen futuristischen Filmen erst auf, als sie tatsächlich erfunden worden waren.

Die verluderte Junggesellenbuden-Optik der Raumstation (sie ist teilweise so gewollt, weil die Forscher ja Männer und zudem nicht mehr ganz bei sich sind, teilweise nicht anders möglich gewesen, weil Mosfilm es eben nicht komfortabler hinbekam) nimmt Interieur und Atmosphäre des Raumschiff-Inneren von „Alien“ vorweg. Der Film entstand sechs Jahre später und wird seither oft dafür gelobt, sich von der bunten Sauberkeit des „Raumschiff Enterprise“ gelöst und einen zeitgemäß-dystopischen Look etabliert zu haben.

Das Netzhemd des Psychologen Kelvin sollte man in seinem Alter nicht tragen. Andererseits hat außer Tarkowski niemand geahnt, dass diese Dinger in den 80ern in Mode kommen und später von ihren reiferen Besitzern aufgetragen werden werden sollten.

Die maskenbildnerische Leistung bei der Darstellung des jüngeren und gealterten Astronauten Berton hat mir schon immer imponiert. Sie tut es weiterhin. Vor allem, nachdem ich zwischenzeitlich die Ergebnisse von Scorseses Robert De Niro-Lifting-Software gesehen habe!

Soweit es die zögerlich verteilten Dialoge betrifft, ist die Adaption der Vorlage einfach großartig. Zum Beispiel: „Ich habe nicht das Recht, mich bei meiner Arbeit von seelischen Anwandlungen leiten zu lassen! Ich bin kein Poet.“ Oder der kleine Junge, der ausruft: „In der Garage steht etwas und kuckt!“
Den Autor hat das nicht versöhnt. Er hat sich den Film nach eigenem Bekunden niemals vollständig angesehen.

Das famose Cover der DDR-Ausgabe (Verlag Volk und Welt 1983).

Dieser Beitrag wurde unter Film, Literatur, Medienphilosophie, Rezension, Science Fiction abgelegt und mit , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert