Die schönsten Hörspiele, die ich kenne (23): „Besser gar nicht, als spät“

Zweiteiliger NDR-Hörspielkrimi vom 1. und 2. Januar 1972.
Credits unter https://hoerspiele.dra.de/vollinfo.php?dukey=1449587

„Wollen Sie sich von einem alten Versager einen guten Rat geben lassen, mein Junge? Wenn Sie in Ihrer großen Intelligenz etwas entdecken, was Ihrem Vorgesetzten entgangen ist, reiben Sie’s ihm nicht unter die Nase. Legen Sie sich mit der Öffentlichkeit an, wenn Sie nicht anders können, aber nicht mit dem Burschen, der bei Ihrer Beförderung mitzusprechen hat! … Creswell Vater des verschwundenen Kindes! Und ich Arschloch hab das nicht gemerkt.“

Eine Woche vor seiner Pensionierung ärgert der streitlustige Inspektor Chew (Paul Dahlke) seine Vorgesetzten mit der Ankündigung, an den Schauplatz eines ungelösten Falles zurückkehren zu wollen. Der Waverton-Fall drehte sich um einen Säugling, der vor 12 Jahren entführt wurde. Obwohl der kleine Ort eingeschneit und „von der Außenwelt abgeschnitten“ war, Täter und Opfer also nicht entrinnen konnten, hat man beide nie gefunden. Chew nimmt den jungen Kollegen Sergeant Rushton mit aufs Land (muffig wie immer: Horst Michael Neutze). Als die Beamten in Norfolk eintreffen, wird ihnen erwartungsgemäß kein freundlicher Empfang bereitet. Doch die Qualität der Feindseligkeit, die ihnen entgegenschlägt (vor allem Chew, an den man sich noch gut erinnert), ist erstaunlich und facht den Ehrgeiz des Alten weiter an. Chew irritiert die Leute mit Nachfragen macht sich mit seiner forschen Art auch bei Mr. Cresswell unbeliebt, dem Bierbaron, dem der Ort praktisch gehört. Der Gastwirt Sam Fletcher (köstlich: Manfred Steffen) ist ein klein wenig höflicher als die anderen, erscheint uns Zuhörenden aber umso verdächtiger, in die geheimnisvollen Vorgänge verstrickt zu sein …

In dieser deutschen Fassung eines frühen Hörspiels von BBC-Starautor Rodney David Wingfield stimmt nicht nur die Atmosphäre, sondern ungewöhnlicherweise auch die Story. Anstelle der in ollen Radiokrimis üblichen Überzeichnungen, Logikfehler und Dramaturgielöcher wird uns eine bewegende und bis zuletzt überraschende Geschichte geliefert.
Der Krimi-Podcast „Kein Mucks“ ist mit diesem Kleinod in die Sommerpause gestartet.*
_______________________
* Abzurufen unter https://www.ardaudiothek.de/episode/kein-mucks-der-krimi-podcast-mit-bastian-pastewka/besser-gar-nicht-als-spaet-krimi-podcast-mit-bastian-pastewka/bremen-zwei/12715423/

Dieser Beitrag wurde unter Hörspiel, Krimi abgelegt und mit , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Die schönsten Hörspiele, die ich kenne (23): „Besser gar nicht, als spät“

  1. Hans-Bernhard Barth sagt:

    Nörgel, nörgel — oder: Ein‘ habbich doch! Ein‘ habbich doch!

    In der Exposition (dramaturgisch clever und handwerklich schön gemacht: „Dia-Vortrag im Hörsaal“ im Radio!) wird ab ca. Minute 11:28 erklärt, die Creswell-Bierbarone hätten das örtliche Schloss aus dem 16.Jhdt. anno 1920 vom ansässig gewesenen Landadel erworben, den der Schwarze Freitag und die großen Weltwirtschaftskrise ruiniert hatte:
    Der „Schwarze Freitag“ ereignete sich aber am 24. Oktober 1929 (und war in Wirklichkeit ein Donnerstag).

    Davon abgesehen aber; ein feines Fundstück mit schönem Twist am Ende — und Paul Dahlke war ja sowieso eine Nummer für sich…

    Danke für den Tipp — Ihr Blog ist das reinste Füllhorn! In jedem Genre gibt’s bis zu 95 Prozent Schund; hier findet mensch etwas von den ver-BLEIBENDEN fünf Prozent…

    Hat hohen Suchtfaktor. Klasse!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert