Ausstellung über das Jüdische im Fernsehen der Bonner Republik

Der „Spiegel“ berichtet in seiner aktuellen Ausgabe von einer unbesehen sehenswerten Ausstellung in Frankfurt am Main, die die jüdische Film- und Fernsehgeschichte der alten Bundesrepublik illustriert: „Ausgeblendet/Eingeblendet“.

»Am zweiten Novemberdonnerstag des Jahres 1978 lief „Dalli Dalli“, Untertitel „Ein Fragespiel für Schnelldenker“. Die Sendung kam alle vier Wochen im ZDF, sie war einer der Pfeiler des bundesdeutschen Unterhaltungsfernsehens. Moderiert wurde sie von Hans Rosenthal, dessen Erkennungszeichen, der mit einem Luftsprung verbundene Ruf „Das war spitze!“, Allgemeingut wurde. Doch etwas war anders an diesem Abend: Es gab im Musikprogramm der Sendung keine Schlager. Stattdessen trat eine Opernsängerin auf. Hans Rosenthal trug einen schwarzen Anzug, wie bei einer Beerdigung. Am Ende der Sendung sagte er: „Das war, heute am 9. November, unsere 75. Sendung ‚Dalli Dalli‘.“ Es war ein sehr leiser Hinweis auf ein Datum, das in der bundesdeutschen Erinnerungspolitik damals noch kaum eine Rolle spielte: 40 Jahre zuvor hatten in Deutschland an diesem Tag die Synagogen gebrannt, die Wohnhäuser und Geschäfte von Juden, mehr als 1000 Menschen waren ermordet worden. [Es war die sogenannte „Reichskristallnacht“, die im heutigen Gutmenschenjargon – dessen sich leider auch der „Spiegel“-Artikel befleißigt – „Reichpogromnacht“ genannt und damit verbal um den vielsagenden Zynismus der Nazis vermindert wird.] Hans Rosenthal war Jude. Hinter den Kulissen hatte er zuvor versucht, die Verantwortlichen des ZDF davon zu überzeugen, die Sendung des Termins wegen zu verschieben. Es war ihm nicht gelungen.«
Wie wir weiter lesen, hat Rosenthal nur noch ein weiteres Mal – wiederum vergeblich – versucht, seine Popularität gegen den geschichtsvergessenen Zeitgeist einzusetzen. Als 1983 im hessischen Bad Hersfeld ein Treffen von Veteranen der Waffen-SS und der SS-Leibstandarte Adolf Hitler angekündigt wurde, bat er den Bürgermeister, er solle diese Veranstaltung „schnell absagen“.  Solche Zurückhaltung hat mich Nachgeborenen stets gewundert* – zumal bei Hans Rosenthal, der ja im Zentralrat der Juden aktiv war und in seiner Autobiographie ausführlich beschrieben hat, wie knapp er den Holocaust überlebte.
Oder bei Robert Lembke und der Remigrantin Lilli Palmer. Als diese in „Was bin ich?“ zu Gast war und der Moderator sie darauf ansprach, dass sie gleich zu Beginn ihrer Karriere das Land verlassen habe, unterließen es beide auf den Grund hinzuweisen (Palmers Flucht vor der Ermordung durch die Nazis), was dem Gespräch den flockigen Unterton gab, die junge Schauspielerin sei einfach „nach Hollywood gegangen“. Dabei kann auch Robert Lembke dieses Detail nicht übersehen haben, war er doch in der NS-Zeit als „Halbjude“ eingestuft.
Die Ausstellung erinnert daran, dass in der Bonner Republik vor dem Mauerfall nur etwa 30.000 Juden lebten. Die Zahl erhöhte sich erst in den 90er Jahren, als die BRD 200.000 sogenannte Kontingentflüchtlinge aus der zusammengebrochenen Sowjetunion aufnahm.

Mehr zu diesem Thema finden Sie hier: https://blog.montyarnold.com/2015/05/06/bin-so-germanisch-depressiv/

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Eine Antwort zu Ausstellung über das Jüdische im Fernsehen der Bonner Republik

  1. Horst sagt:

    Danke für den Artikel.
    Der Begriff Kristallnacht ist offenbar keine Erfindung der Nazis, es wird sogar davon ausgegangen, dass sich der (berliner) Volksmund über die Sprache der Nazis lustig macht (sogar der Kabarettist Werner Fink wird als Urheber vermutet).

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