Die schönsten Filme, die ich kenne (118): „Das Urteil“

Frankreich, wenige Jahre vor Abschaffung der Todesstrafe. Der verwöhnte junge André Leoni steht in Lyon vor Gericht. Er ist angeklagt, ein Mädchen aus reichem Hause getötet und den Versuch unternommen zu haben, ihre Leiche in der Rhône verschwinden zu lassen. Der ohnehin strenge Richter Leguen ist aus zwei Gründen diesmal besonders hartherzig: erstens ist dies der letzte Fall, ehe er in Rente geht, und zweitens betrachtet er den Angeklagten als Sohn eines verstorbenen Gangsters ohnehin als moralisch minderwertig. Er eröffnet die Verhandlung mit einer tendenziösen Vorrede, die Andrés Mutter desillusioniert und dazu verleitet, in den Gang der Justiz einzugreifen.
Entgegen ihrer Absicht, sich und ihren Sohn aus dem Milieu seines Vaters herauszuhalten, lässt sie Leguens zuckerkranke Frau entführen und droht damit, sie umzubringen, wenn André keinen Freispruch bekommt.
Offensichtlich glaubt sie an die Unschuld ihres Jungen. Dem Publikum hingegen wird in Rückblenden, die wie beiläufig in den Prozess eingestreut sind, schnell vermittelt, dass es sich um Totschlag handelt und dass André der Täter ist.
Richter Leguen geht auf die Forderung der Erpresserin ein, die erleichtert ist, der alten Dame in ihrer Obhut nichts antun zu müssen. Dennoch entwickelt sich die Situation in einer Weise, die keinem der Beteiligten gefallen wird …

Den Regisseur André Cayatte, einen ehemaligen Anwalt, haben Recht und Moral als Stoff immer interessiert. Doch weder er noch der Autor der Romanvorlage Henri Coupon sind bedeutend genug, um dieses Kleinod des Gerichtsfilms in der verdienten Erinnerung zu halten. Selbst Jean Gabin (der hier seine vorletzte Rolle spielt und den Film nicht mochte) und Sophia Loren haben das nicht verhindert.
Dabei ist „Le Verdict“ (F/IT 1974) ein blendend erzähltes Sozialdrama auf der Höhe von Georges Simenon, das seinen Stoff in alle erdenklichen Richtungen dialogstark ausleuchtet und dessen Spannung bis zur letzten Sekunde nicht nachlässt.

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