Endlich wiedergesehen: „American Beauty“

Der ST. GEORGE HERALD bittet um Neubewertung eines modernen Klassikers.

Der große Oscar-Abräumer des Jahres 2000 schien tatsächlich ein Film von bleibendem Wert zu sein, ein Feelgood-Movie mit einem Niveau wie wir es seit „Und täglich grüßt das Murmeltier“ nicht mehr gesehen hatten. Drehbuchautor Alan Ball erhielt daraufhin die Möglichkeit, mit „Six Feet Under“ eine Dramaserie zu machen, die solche Erwartungen tatsächlich erfüllt hat. „American Beauty“ hingegen ist fast so schlecht gealtert wie „Besser geht’s nicht“*. Abgesehen von ein paar wirklich flotten Dialogzeilen ist seine Faszination auf ein trauriges Gerippe aus Biederkeit und falschen Versprechungen abgeschmolzen.
Daran haben auch die Besetzung und die Spielleitung von Sam Mendes ihren Anteil. Die beiden großen tragikomischen Nebenrollen wirken wie aus (zwei unterschiedlichen) Comics ausgeschnitten und in den Film eingeklebt: der Redneck-Nachbar und Familientyrann Chris Cooper (der in Wahrheit ein jammerndes, ungeoutetes Opfer ist) und die Karrierefrau und Mutter Annette Bening, deren schrilles Treiben nach einer Lachkonserve schreit. Wes Bentley ist für die Rolle des schrägen Nachbarsjungen zu hübsch (in einer braven Nacktszene wird er uns förmlich als Doppelgänger von Tom Cruise aufgetischt) und traktiert uns mit glückspornografischer Lyrik über eine Plastiktüte im Wind, während ihm und seiner Zuhörerin vor Rührung das Wasser in den Augen steht. Der betäubte Mittelpunkt des Ensembles ist Kevin Spacey, der damals seinen kometenhaften Aufstieg in Hollywood feierte. Die Plötzlichkeit, mit er sich vom Verlierer zum erleuchteten Freigeist wandelt, wäre auch ohne sein bürokratisch-roboterhaftes Spiel nicht vermittelbar. Seine Leistung als Ausbrecher aus der Hölle der Vorstadt gipfelt darin, dass er seine Pink-Floyd-Platten wieder raussucht und seinen Smoothie direkt aus dem Mixer trinkt, während die Familie zusieht. Die handelnden Figuren kritisieren / loben einander unentwegt für ihren Mut und ihre Eloquenz – so gut sind die Dialoge nun wieder nicht. Und alles versinkt im stetig rotierenden Wellness-Klangmuschel-Gedudel von Thomas Newman.

„American Beauty“ kneift konsequent vor seinem satirischen Potenzial, und das in einer aus heutiger Sicht bahnbrechenden Weise. Knapp 25 Jahre später sind pseudo-sozialkritische Töne obligatorisch, um seichte Familienfilme aufwerten.

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* Siehe https://blog.montyarnold.com/2021/06/15/besser-gehts-nicht/.

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