Sauerei zur Unzeit

betr.: Retro-Humorkritik, Teil 1

Im Zusammenhang mit den zuletzt wiederholten Otto-Shows der 70er Jahre*, die der WDR mit obiger Warntafel versah, habe ich mich mit einigen quasi gleichaltrigen Freunden über den jungen Otto, seine Shows, Platten, Witze unterhalten. Ich bekenne stets, wie komisch ich diese Sachen immer noch finde, fast allen anderen geht es genauso. Ein Berliner Freund – nennen wir ihn Toby – geriet neulich in eine Situation, die ihm peinlich war, und Otto ist schuld.
Toby erzählte mir, wie ihn einer seiner beiden Söhne im Grundschulalter dabei erwischte, als er sich über eine Nummer kaputtlachte, die wir heute nicht mehr lustig finden dürfen (möglicherweise die, in der Otto den Satz „This is Alice Schwarzer“ ins Deutsche übersetzt …). Wie sag ich es dem Kinde: du darfst das nicht komisch finden, obwohl ich es selber tue. Diese Situation wäre an sich saukomisch, wenn unser aktueller Humordiskurs nicht Ausdruck einer so trostlosen Entwicklung wäre. Ich tröstete ihn damit, das sei ein ideales Stichwort, dem Jungen zu erklären, was sich an unserer Sprachregelung in 50 Jahren geändert hat. (Sonst tut es irgendwann jemand anderes …)

In einem Punkt hat Ottos Humor uns damaligen Grundschülern jedenfalls nicht geschadet (oder genützt, je nachdem): dass Ottos Witze zu weit über 50% schweinisch waren, haben wir erst Jahre später allmählich begriffen. Auch hier herrscht in meiner Generations-Bubble allgemeine Einigkeit. Trotzdem hatten wir nie das Gefühl, etwas nicht zu kapieren. Das mag an Ottos enormem Tempo bzw. Timing gelegen haben.
Nur einmal sagte mir jemand – wir wollen ihn heute Axel nennen – , er habe Otto immer für die Spießigkeit seiner Sex-Witze verachtet. Axel ist ein kleines bisschen älter als ich und hat die Schweinereien schon damals heraushören können, die mir und den anderen noch entgangen sind. Dass Axel allerdings zur selben Zeit (und bis heute) „Klimbim“ sehr komisch und auf pfiffige Weise anzüglich fand (eine peinvolle, müde Spießerparade, die für mich den Inbegriff verschwitzter Verklemmtheit darstellt), dafür habe ich keine Erklärung.
_______________________
* Heute nacht ist es wieder soweit, doch die letzten drei Folgen sind noch nicht gelaufen und auch bisher nicht angekündigt.

Dieser Beitrag wurde unter Fernsehen, Gesellschaft, Kabarett und Comedy, Kabarett-Geschichte, Medienphilosophie abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert