… gerade auch in Berlin …

In der Sendereihe „Denk ich an Deutschland“ erzählte der Berliner Comickünstler und Comedian Fil („Didi & Stulle“) dem Deutschlandfunk folgendes: „Eine Zeitlang habe ich immer versucht, die deutsche Mentalität zu verteidigen – gegenüber meiner Freundin. Sie ist Spanierin und lebt hier seit 15 Jahren. Sie weist immer darauf hin, dass die Araber und Türken freundlicher wären. Wenn sie mit einem arabischen oder türkischen Taxifahrer fährt, dann fragt der: wie geht’s, wo kommst du her, hast du Familie …? Wenn sie mit’m deutschen Taxifahrer fährt, dann ist der wunderlich und monologisiert irgendwelchen Wahnsinn vor sich hin. Nachdem ich so lange mit ihr zusammen bin, sehe ich das auch mit ihren Augen. Und es stimmt: Wir sind ein Volk von Irren! Ich bin mit dem Taxi hierhergefahren. Der Taxifahrer redet nicht mit mir, ist sauer auf mich – aus irgendeinem Grund, ich hab ihm nichts getan. Jeder Typ, den du irgendwas fragst, gerade in Berlin, hat’n Problem, irgendwas ist los. Die Leute rennen rum mit ihrer Psychose im Gesicht. Andere Leute sind so viel netter (außer die Franzosen). Ich finde, die Deutschen sind wunderlich. Und diese angeblichen Tugenden, Fleiß und Gründlichkeit – ich seh‘ das überhaupt nicht. Ich seh nur Psychopathen. Ich seh Leute, die vor sich hinmurmeln.“

Die Details die Fil schildert, stimmen exakt, aber er spricht von Berlin, wenn er an Deutschland denkt. In Berlin – und auch im Zentrum von Frankfurt – habe ich exakt den von ihm beschriebenen Eindruck. Aber im Rest des Landes verteilen sich all diese üblen Eigenschaften, verbergen sich hinter Hemmungen und Ängstlichkeiten (was sie nicht besser macht), und hie und da verdünnisieren sie sich sogar. Wann immer mich Freunde aus Berlin besuchen (im Hamburger Bahnhofsviertel!) erzählen sie mir als erstes, wie viel netter hier alle sind.

In einem Punkt, der von den meisten Deutschen geteilt wird, muss ich Fil allerdings zumindest relativierend entgegenlaufen. Die Idee, die Schönen Künste in E und U unterteilen, gibt es auch anderswo – sogar in den USA, die uns als erstes einfallen, wenn wir das lockerstmögliche Gegenteil zu uns selbst aufrufen möchten. Das Schicksal der Operndiva Helen Traubel (auch nach heutiger Einschätzung eine der wichtigsten Wagner-Sängerinnen des 20. Jahrhunderts) ist ein schönes Beispiel dafür. Um ihrem mutterwitzigen Naturell die Sporen  zu geben, trat sie mit dem Komiker Jimmy Durante im Rundfunk auf (in einer ausdrücklichen Unterhaltungssendung) und machte auch in Musical und Operette. Rudolph Bing, der Manager der Metropolitan Opera, fand das so geschmacklos, dass er ihren Vertrag nicht verlängerte.

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