Liebe Caren Miosga!

Ich werde die heutige Ausgabe Ihrer Sendung wahrscheinlich auslassen. Ich will das wohlige Vergnügen nicht vollends vertreiben, das seit Dienstag und der vorletzten Folge von „Maischberger“ noch in letzten leisen Spuren der Verzückung durch mein weltmüdes Gemüt prickelt wie ein Lufthauch am jüngsten Tag.

Als Gesicht der „Tagesthemen“ besetzten Sie immer einen besonderen Platz in meinem Herzen. Über den beschwerlichen Start auf Ihrem neuen prominenteren Sendeplatz ist schon viel Kritisches, Sachliches und Zutreffendes geschrieben worden. Von den kleinen Fehlern mit großer Wirkung, die uns (die wir im Fernsehsessel gut reden haben) stets sauer aufstoßen, stört mich persönlich dieser am meisten: Ihr in kurzen Intervallen einsetzender Impuls, den Gast einfach mal anzulächeln (um nicht so paternalisch rüberzukommen wie Frau Illner vom ZDF).
Warum auch nicht? Dieser im Privatgespräch sehr hübsche Gestus-Baustein muss auch in seiner politischen Diskussion nicht unbedingt schlecht sein.
Es kommt drauf an, wer lächelt und wie. Bei Anne Will verpuffte das regelmäßige sinnlose Grinserchen völlig, seit klar war, dass es der ohnehin erkenntnisfreien Unterhaltung keinen Schaden zufügen konnte. Bei Ihnen, Frau Miosga, hat es einen elenden Effekt: es wird (besonders von den bisher zum Gespräch begrüßten Unionspolitikern) immer dankbar aufgefangen und mit verschwiemeltem Mitgekicher beantwortet. Ein wirkliches Nachbohren oder Konfrontieren ist unmöglich, sobald dieses Bällchen erst einmal in der Luft ist. Ich würde lieber etwas gestreng wirken als es den Gästen so leicht zu machen.
Natürlich wissen Sie das längst (sowas lässt sich nicht so leicht abstellen wie es im Fernsehsessel aussieht) und ihre Redaktion weiß es auch. Und wenn Sie die Sendung anschließend gemeinsam analysieren, ist es sicherlich das größte alle gleichermaßen heimsuchende Ärgernis, davon bin ich überzeugt!

Als jemand, der sich freuen würde, wenn es am Sonntagabend eine aktuelle politische Sendung gäbe, die ich nicht versäumen will (und der diese gern in Ihren Händen wüsste), bitte ich Sie: lassen Sie doch die Analyse der heutigen Ausgabe einfach liegen, und sehen Sie sich stattdessen eine Folge „Maischberger“ an! Ich empfehle die vom letzten Dienstag. Und hier ganz besonders – und das ist mein ironiefreier Ernst! – die letzte Viertelstunde, die mit Howard Carpendale. Ganz recht: der verdiente, alte Schlagerfuzzi.
Wer jetzt zusammenzuckt und sagt: „Was? Dieser alte Schlagerfuzzi?“, bleibt leider unberaten. Jener Herr Carpendale, der zu keiner Zeit vorgab, mehr zu sein als ein alter Sie-wissen-schon, beschönigte die grauenvolle politische Situation in den USA (darum ging es vor allem in der Unterhaltung) mit keiner Silbe. Stattdessen brachte er das Unbehagen aller halbwegs vernünftigen BRD-Demokraten mit der Kandidatur Joe Bidens auf den Punkt. Er erklärte schlüssig, warum Trump vermutlich siegen wird und weshalb es das US-Wahlvolk nicht stört, wenn Trump seniles Zeug brabbelt, warum die Stolperer Joe Bidens aber auf die gleichen Menschen so verheerend wirken. Howard Carpendale erfüllte die alte Binsenweisheit von den Überschneidungen des Politikerberufs mit dem das Entertainers / Schauspielers mit neuem Leben und blieb dabei so bescheiden und unprätentiös, dass wir alle dachten: vielleicht wird ja trotzdem alles gut werden. (Das ist dieses unerklärliche Gefühl, von dem ich weiter oben sprach.)

Warum erzähle ich Ihnen das? Weil solche Augenblicke im linearen Fernsehen in dieser Regelmäßigkeit nur in der Sendung von Frau Maischberger möglich sind. Niemand sonst würde so einen wie Howie überhaupt in eine politische Sendung einladen. Und wenn doch, würde es nichts nützen! Markus Lanz würde (wie Frau Maischberger auch) diesen Gast als Frou-Frou-Vögelchen ans Ende setzen und dann (ganz anders als Frau Maischberger) nur flapsiges Zeug mit ihm reden, um nach Gaza-Krieg, Putin und NSAfD noch ein bisschen gute Stimmung herauszukratzen. Nach dem Motto: politische Analysen will doch von Howie eh keiner hören.
Stimmt nicht!
Folglich (und ganz nebenbei gesagt) kann es auch in keiner anderen Sendung als in „Maischberger“ herrliche Zufälle von dieser Sorte geben: Es gäbe (zusätzlich zu Entertainer Howie) keinen Gast wie Jürgen Becker, den ich immer wieder in Sandra Maischbergers Panel erblicke und der als intelligenter Satiriker in meiner grundsätzlichen Achtung seither immer weiter steigt. Man muss Beckers Humor nicht goutieren, aber sein improvisierter Scholz-Howie-Witz war eine Sternstunde der Selbstironie, der Schlagfertigkeit und des Komikerhandwerks.
Glück haben muss auch Frau Maischberger (schließlich sitzen in dieser Runde sonst auch schon mal Kabarett-Professionelle wie Florian Schröder oder Mathias Richling, von denen solch unziemliche Pfiffigkeiten nicht zu befürchten sind).
Aber es ist eben nicht nur Glück.

In unverbrüchlicher Sympathie
Ein alter Fan

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