1985 begeisterte mich ein ungewohnt ambitionierter Band aus der schmucklosen Heyne-Taschenbuchreihe über Filmschaffende. Die 73 war umfangreicher als die vorherigen Nummern, hatte sie doch ein Thema, das die Begrenzungen einer einzelnen Künstlerbiographie oder eines Genre-Themenbandes sprengte: „Kultfilme“. Natürlich ist ein so altes Sachbuch heute zwangsläufig überholt, zumal die Autoren Ronald M. Hahn und Volker Jansen in ihrem Vorwort zum Ausdruck bringen, wie sehr sie sich in der Länge einschränken mussten. Doch mein arg abgegriffenes Exemplar hat seinen Wert behalten. Die hierin vorgestellten 40 Filme (sie entstanden von 1927 bis 1980) bilden eine beständige Auswahl. In den knapp 40 Jahren seit ihrem Erscheinen hat sich nicht nur die Definition des Kultfilm-Begriffs (siehe unten) völlig verändert. In der Art wie wir Filme konsumieren und beurteilen ist auch sonst kaum ein Stein auf dem anderen geblieben. Mein Verdacht, es könnte ab Mitte der 80er ohnehin keine oder kaum noch weitere Filme gegeben haben, die im eigentlichen Sinne „Kultfilme“ sind, wollte sich nicht vertreiben lassen. Er erhärtete sich, als mir dieser Tage die erweiterte „Kultfilme“-Neuauflage von 1998 in die Hände fiel. Hier waren es nun „die 100 besten …“ (wie sich das gehört) – die Film-Taschenbücher von Heyne sahen mittlerweile nicht nur flotter aus, sie durften auch wesentlich dicker sein. Zwar sind alle 100 Aufsätze zu den einzelnen Titeln von gewohnter Brillanz, doch das Thema, das der gleichgebliebene Titel verspricht, ist verfehlt.
Bereits Ende der 90er war „Kultfilm“ nichts mehr als ein Werbespruch, ein Wischiwaschi-Ausdruck, der a) von Fans gebraucht wird, wenn sie ihren persönlichen Lieblingsfilm zu einem der Allgemeinheit erklären möchten („Ich kenne niemanden der ‚Die fabelhafte Welt der Amelie’ nicht total toll findet! Dieser Film hat mein Leben verändert!“). b) von Marketingleuten gebraucht wird, um ihr neues Produkt hochzujazzen, dass zwangsläufig noch niemand gesehen und das folglich noch gar keinen Kult generiert haben kann („Versäumen Sie nicht den neuen Kultfilm von Bully Herbig!“ …). Woran man einen wirklichen Kultfilm erkennt, hat sich im Laufe der Zeit eine Reihe angemessen pingeliger Fachleute überlegt. Ein Kultfilm ist ein Film, …
„… der im Ersteinsatz bei Kasse und Kritik durchgefallen ist, der aber durch Wieder- und Spezialaufführungen seinen Weg gemacht hat.“ – Stuart Byron in „Film Comment“ Oct./Sept. 1976
„… dessen Wirkung sich nicht aus seiner Qualität herleiten lässt. Weniger vornehm ausgedrückt: ein Film, bei dem man auf die Frage: ‚Verstehst du, warum da alle hingehen?‘ mit ‚Versteh ich auch nicht‘ antwortet.“ Hellmuth Karasek in „Film Comment“ Oct./Sept. 1976
Und weiter:
„Kultisten sprechen die Dialoge mit, sie kommentieren Szenen oft durch Jauchzen und Johlen und imitieren das Geschehen auf der Leinwand durch Bewegung, Körperhaltung, Gestik, Mimik, Tonfall und nicht zuletzt durch Requisiten aller Art.“ Ronald M. Hahn und Volker Jansen in „Kultfilme“, München 1985
Das sind natürlich nur Indizien, die nicht vollständig aufscheinen müssen und die sich in unserer geflissentlichen Ära eh überlebt haben. Dass ein Kultfilm zunächst nicht auf seinen großen bzw. langanhaltenden Erfolg hoffen konnte oder ihn erst spät erfuhr, trifft aber auf viele Beispiele zu. Die in der erwähnten Neuausgabe hinzugefügten Titel Nr. 41 bis 100 sind mancherlei (Blockbuster, Klassiker, vieler Leute Lieblingsfilme …), aber eben keine Kultfilme mehr. Das wussten die Autoren natürlich selbst. Im Nachwort räumen sie das auch ein, nicht ohne für ihre Zusammenstellung auf eine letzte Sonderregelung zu spekulieren: „Kultfilme sind Filme, die Zeitströmungen erfassen, die zunächst Minderheiten faszinieren. Das Zeitalter der totalen Information und Vermarktung auf allen Ebenen lässt solchen Filmen keine Zeit, sich zu entwickeln. So kommt es, dass (…) das ‚Genre‘ in seiner reinen Form (…) langsam, aber sicher ausstirbt.“
Das führt uns zu der spannenden Frage: welches sind jene 40 Filme?
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Kultfilme – Nachbetrachtung eines Schlagworts
1985 begeisterte mich ein ungewohnt ambitionierter Band aus der schmucklosen Heyne-Taschenbuchreihe über Filmschaffende. Die 73 war umfangreicher als die vorherigen Nummern, hatte sie doch ein Thema, das die Begrenzungen einer einzelnen Künstlerbiographie oder eines Genre-Themenbandes sprengte: „Kultfilme“.
Natürlich ist ein so altes Sachbuch heute zwangsläufig überholt, zumal die Autoren Ronald M. Hahn und Volker Jansen in ihrem Vorwort zum Ausdruck bringen, wie sehr sie sich in der Länge einschränken mussten. Doch mein arg abgegriffenes Exemplar hat seinen Wert behalten. Die hierin vorgestellten 40 Filme (sie entstanden von 1927 bis 1980) bilden eine beständige Auswahl.
In den knapp 40 Jahren seit ihrem Erscheinen hat sich nicht nur die Definition des Kultfilm-Begriffs (siehe unten) völlig verändert. In der Art wie wir Filme konsumieren und beurteilen ist auch sonst kaum ein Stein auf dem anderen geblieben. Mein Verdacht, es könnte ab Mitte der 80er ohnehin keine oder kaum noch weitere Filme gegeben haben, die im eigentlichen Sinne „Kultfilme“ sind, wollte sich nicht vertreiben lassen.
Er erhärtete sich, als mir dieser Tage die erweiterte „Kultfilme“-Neuauflage von 1998 in die Hände fiel. Hier waren es nun „die 100 besten …“ (wie sich das gehört) – die Film-Taschenbücher von Heyne sahen mittlerweile nicht nur flotter aus, sie durften auch wesentlich dicker sein.
Zwar sind alle 100 Aufsätze zu den einzelnen Titeln von gewohnter Brillanz, doch das Thema, das der gleichgebliebene Titel verspricht, ist verfehlt.
Bereits Ende der 90er war „Kultfilm“ nichts mehr als ein Werbespruch, ein Wischiwaschi-Ausdruck, der
a) von Fans gebraucht wird, wenn sie ihren persönlichen Lieblingsfilm zu einem der Allgemeinheit erklären möchten („Ich kenne niemanden der ‚Die fabelhafte Welt der Amelie’ nicht total toll findet! Dieser Film hat mein Leben verändert!“).
b) von Marketingleuten gebraucht wird, um ihr neues Produkt hochzujazzen, dass zwangsläufig noch niemand gesehen und das folglich noch gar keinen Kult generiert haben kann („Versäumen Sie nicht den neuen Kultfilm von Bully Herbig!“ …).
Woran man einen wirklichen Kultfilm erkennt, hat sich im Laufe der Zeit eine Reihe angemessen pingeliger Fachleute überlegt.
Ein Kultfilm ist ein Film, …
„… der im Ersteinsatz bei Kasse und Kritik durchgefallen ist, der aber durch Wieder- und Spezialaufführungen seinen Weg gemacht hat.“ – Stuart Byron in „Film Comment“ Oct./Sept. 1976
„… dessen Wirkung sich nicht aus seiner Qualität herleiten lässt. Weniger vornehm ausgedrückt: ein Film, bei dem man auf die Frage: ‚Verstehst du, warum da alle hingehen?‘ mit ‚Versteh ich auch nicht‘ antwortet.“
Hellmuth Karasek in „Film Comment“ Oct./Sept. 1976
Und weiter:
„Kultisten sprechen die Dialoge mit, sie kommentieren Szenen oft durch Jauchzen und Johlen und imitieren das Geschehen auf der Leinwand durch Bewegung, Körperhaltung, Gestik, Mimik, Tonfall und nicht zuletzt durch Requisiten aller Art.“
Ronald M. Hahn und Volker Jansen in „Kultfilme“, München 1985
Das sind natürlich nur Indizien, die nicht vollständig aufscheinen müssen und die sich in unserer geflissentlichen Ära eh überlebt haben. Dass ein Kultfilm zunächst nicht auf seinen großen bzw. langanhaltenden Erfolg hoffen konnte oder ihn erst spät erfuhr, trifft aber auf viele Beispiele zu. Die in der erwähnten Neuausgabe hinzugefügten Titel Nr. 41 bis 100 sind mancherlei (Blockbuster, Klassiker, vieler Leute Lieblingsfilme …), aber eben keine Kultfilme mehr.
Das wussten die Autoren natürlich selbst. Im Nachwort räumen sie das auch ein, nicht ohne für ihre Zusammenstellung auf eine letzte Sonderregelung zu spekulieren: „Kultfilme sind Filme, die Zeitströmungen erfassen, die zunächst Minderheiten faszinieren. Das Zeitalter der totalen Information und Vermarktung auf allen Ebenen lässt solchen Filmen keine Zeit, sich zu entwickeln. So kommt es, dass (…) das ‚Genre‘ in seiner reinen Form (…) langsam, aber sicher ausstirbt.“
Das führt uns zu der spannenden Frage: welches sind jene 40 Filme?