betr.: Ethno-Comedy
Ich gebe zu, dass mir schon die Erwähnung des Begriffs „Ethno-Comedy“ Unbehagen verursacht. Sie löst in mir nämlich ein Vorurteil aus, und das mag ich gar nicht an mir. Das Vorurteil lautet: da will wieder einer nach dem Motto beklatscht werden: „Ich als Klingone darf über Klingonen ablästern – ihr Erdlinge noch lange nicht!“. Dahinter steht in Klammern: „Wer mich nicht komisch findet, sollte mal überlegen, ob er Klingonen gegenüber nicht gewisse Vorurteile hat!“
Nein, hab ich nicht! Nur gegenüber klingonischer Ethno-Comedy.
Wenn ich was zu lachen haben will, möchte ich nicht daran erinnert werden, was für tatsächliche Vorurteile – gesellschaftliche, keine Comedy-geschmacklichen – es in unserer Gesellschaft gibt. Das hat nichts mit Verdrängung zu tun: die Augen werden mir ja diesbezüglich pausenlos aufgerissen. Meine Haltung entspringt dem Wunsch nach Eskapismus, den schon das Kabarett so ungern erfüllt hat, historischer Vorläufer der deutschen Comedy. Ethno-Comedy ist im Grunde Besserwisser-Kabarett mit coolerer Selbstwahrnehmung.
In der SZ las ich vor einigen Monaten einen Artikel über den ägyptischen Comedian Bassem Youssef. Der Hinweis, in Berlin spräche er über die gegenwärtigen Unruhen im Nahen Osten, verriet mir, dass ich nicht würde hinfahren müssen, um einen in meinem Sinne amüsanten Abend zu erleben. – Wie gesagt: ich amüsiere mich gern, wenn Comedy angekündigt wird, ich will mich nicht schon wieder über den Zustand der Welt grämen müssen.
Die Autorin des Artikels war trotz ihrer Skepsis sehr um einen freundlichen Grundton bemüht, und dieser innere Konflikt ließ sich nicht auflösen. Sie schreckte davor zurück, einen Ethno-Comedian offen zu kritisieren, aber immer wieder vermittelte sie mir das Gefühl, dass zu Gelächter nun auch wieder kein Anlass besteht. Einer dieser verräterischen Sätze handelte vom Vorleben des Künstlers: „Er spielte vor leeren Sälen, und er war schlecht. Dann kam der 7. Oktober …“ – gerade so, als sei die Qualität von Youssefs Material eine reine Frage der Zeitläufte. Zwischendurch ist wieder von seinem schwarzen Humor und vom ausverkauften Tempodrom die Rede, dann endet der Text mit dem Hinweis, Youssefs Israel-Kritik sei „primitiv ausgefallen“.
Und wieder ploppt ein Vorurteil in mir auf – diesmal gegenüber dem Feuilleton, das in der unbehaglichen Lage ist, ein Entertainment rezensieren zu müssen, das sich jeder kritischen Analyse entzieht.