Golden Boy mit Rostflecken

betr.: Stefan Raabs Comeback

Kürzlich fragte mich ein fleißiger Mediennutzer, ob Stefan Raabs als großes Comeback geplanter Boxkampf eigentlich überhaupt stattgefunden habe. Er habe nichts davon gemerkt und auch niemanden getroffen, der den Kampf gesehen hat. Niemand rede davon.
Da wurde mir bewusst, dass ich nach Raabs großer Ankündigung (auch in seriösen Kulturbeilagen) nichts mehr von diesem Event gehört hatte. Auch das Ergebnis des Kampfes hat niemand gemeldet – jedenfalls nicht so laut, dass ich es gehört hätte. Damit darf der Versuch des Senders RTL+ als gescheitert gelten, den ersten Bildschirmauftritt des großen Universal-Entertainers seit seinem Rückzug auf ewig zum großen Durchbruch zu nutzen.
Mein Mitgefühl mit scheiternden Streamingplattformen hält sich in Grenzen. Ich finde, es gibt längst zu viele davon, und das nutzende Publikum ist ja augenscheinlich der selben Meinung.
Um Stefan Raab hingegen tut es mir schon ein wenig leid.

Ohne je zu seiner weitläufigen Zielgruppe gehört zu haben, war er mir viele Jahre lang präsent und erwarb sich meinen ehrlichen Respekt, weil er auf den Befindlichkeiten der schlichten breiten Masse ebenso souverän zu klimpern verstand wie auf den zahllosen Musikinstrumenten, die er so gut beherrscht. Er hatte mit fast allem Erfolg, sogar dann, wenn seine Konzepte in anderen Händen lagen oder in diese übergingen.
Als er seinen Rückzug ins Privatleben ankündigte, war ich tatsächlich geneigt zu glauben, es sei ihm ernst. Schließlich hatte er bis zu Ermattung aus allen Rohren geschossen und tagtäglich moderiert. Ich glaubte ihm das, obwohl mir solche Abschiede sonst immer verdächtig sind, weil ich die meisten Promis (Stars, Sportler, Politiker …) für komplett festgelegt halte, weil ich ihnen keine persönlichen Interessen zutraue, weil ich sie für süchtig halte, sich im Applaus ihrer tatsächlichen und den Likes ihrer virtuellen Fans zu spiegeln und ihren Selbstwert nur danach auszurichten. Ich halte sie für dazu verdammt, sich im Privatleben augenblicklich zu langweilen, weil sie nicht in der Lage sind, sich zu zerstreuen: einen Roman zu lesen, eine Platte aufzulegen, einen Klassiker zu studieren oder die schöne Aussicht eines ihrer Wassergrundstücke einfach zu genießen. Ich kann mir vorstellen, wie langweilig es ist, die selben Leibwächter immer wieder beim Poker zu besiegen, und auch die 100 besten Edel-Callgirls und Callboys aus aller Welt kennt man irgendwann auswendig.
Jetzt fällt mir auf: ich hatte Stefan Raab tatsächlich zugetraut, er wüsste mit sich selbst etwas anzufangen.

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