Zweimal Roter Drache

betr.: 82. Geburtstag von Michael Mann (morgen)

Im Herbst 2002 war es für mich schon zu einem sehr seltenen Erlebnis geworden, ins Kinocenter zu gehen und mich mit einer großen Menschenansammlung über einen neu gestarteten Film aus Hollywood gemeinsam zu amüsieren. Der „Rote Drache“ gefiel mir ebensogut wie dem übrigen Publikum. Danach gingen der Blockbuster-Mainstream und ich endgültig getrennte Wege – was ich sehr bedaure aber nicht ändern kann.
„Roter Drache“ ist nicht etwa ein Fantasy-Film, sondern der dritte Auftritt von Anthony Hopkins als Hannibal Lecter, der in der Erzählhandlung allerdings an den Anfang gehört, vor den Durchbruch von Lecter / Hopkins in „Das Schweigen der Lämmer“ (1989). Zuallererst hatte es bereits eine Verfilmung des ersten Romans der Reihe gegeben, in der Dr. Lecter, der längst zum beliebtesten Filmbösewicht überhaupt aufgestiegen ist, nur am Rande mitwirkt: „Manhunter“ von Michael Mann, bei uns „Blutmond“ bzw. „Roter Drache“ (1986).

Es kommt häufig vor, dass ein Film von seinem Remake aus der Wahrnehmung des Publikums verdrängt wird. In der Regel geschieht das zu Unrecht, da die meisten Neuverfilmungen (wie auch „zweite Teile“) wenigstens unter künstlerischen Gesichtspunkten vollkommen überflüssig sind. „Roter Drache“ ist ein komplizierterer Fall. Für sich betrachtet ist er großartig, aber schon wenige Jahre später kam er gewissermaßen aus der Mode. Seine Fortsetzung (im Roman wie im Kino) definierte den Charakter Hannibal Lecter nicht nur durch ihre brillante Interpretation durch Anthony Hopkins vollkommen neu, sie machte ihn auch zu einer Hauptfigur, die sogar gegen die schillernde Gegenspielerin – Jodie Foster als Agent Starling – bestehen kann. Obwohl kein Remake, hat „Das Schweigen der Lämmer“ dem „Roten Drachen“ von Michael Mann den Garaus gemacht – und mit ihm auch der wirklich untadeligen Darstellung der Lecter-Rolle durch Brian Cox.

Mir wurde hin und wieder erzählt, die Fassung von 1986 sei besser als die von 2002. Doch das ist wie gesagt nicht so einfach. Was Michael Manns „Manhunt“ an Glamour und Übereinstimmung mit der ikonischen Hopkins-Reihe abgeht, macht er dadurch wett, dass er seinem Nachfolger eine Vielzahl kluger Anleitungen gibt. „Roter Drache“ 2002 folgt ihnen teilweise penibel, mag oder muss aber auf einiges davon verzichten. Nicht nur Dr. Lecter nimmt mehr Raum ein, auch der Killer „Zahnfee“ wird – da mit Ralph Fiennes prominent besetzt – ausführlicher präsentiert und verliert dadurch viel von seinem Geheimnis. Das wiederum löst das Remake sehr gut, indem es diesen Charakter in einem charismatischen Zwiespalt hält, statt ihn als gruseligen Widerling zu zeichnen, wie es Tom Noonan in „Manhunt“ und dem Killer aus „Das Schweigen der Lämmer“ widerfuhr. Wer sich „Manhunt“ heute anschaut, wird sich vielleicht an der Konsequenz erfreuen, mit der unnötige Ekel-Effekte vermieden werden. Was ihn letztlich doch etwas schlechter abschneiden lässt, sind zeitgeschmackliche Dinge: ein billiger Rock- und Synthesizer-Soundtrack (typisch für die 80er), der besonders die Schlussbilder völlig verramscht, und der (in Kenntnis der Romanvorlage wie auch der Neufassung) allzu flotte Showdown. Das Ende des Bösewichts kommt seltsam früh.
Ein Jahr nach „Manhunter“ war ein Thriller in die Kinos gekommen, der unsere Sehgewohnheiten für immer veränderte. Es war ein Film, in dem die vermeintlich bereits zur Strecke gebrachte Schurkin Glenn Close noch einmal aufstand und erneut angriff: „Fatal Attraction“.

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