betr.: Mikrofonarbeit
Sobald der Sprecher vom Hörer bewusst wahrgenommen wird, lenkt er dessen Aufmerksamkeit vom Text ab. Dann ist etwas schiefgelaufen. Das mag durch die schiere Prominenz des Interpreten geschehen – wobei sich die Fans an die Gegenwart ihrer Idole Rufus Beck, Christian Brückner o.ä. sicher bald gewöhnt haben. Heikler ist eine Ablenkung durch die Besonderheiten des Vortrags: Unsauberkeiten, Sprachmarotten (auch Dialekt oder übermäßiges Atmen und Schmatzen zählt dazu), Betonungsfehler. Ebenso störend sind „gut gemeinte“ Effekte, die auf reinen Übereifer hinauslaufen.
Obschon die Lesung eines Textes eine anspruchsvolle künstlerische Leistung darstellt, kann sie nur gelingen, wenn sie im Hintergrund abläuft und gar nicht bemerkt werden will. Sie ist eine dienende Disziplin. Ganz genauso verhält es sich mit der Arbeit an der Filmkamera. Sobald ich von irgendeiner Kamerabewegung daran erinnert werde, dass dahinter jemand arbeitet, ist das streng genommen das Indiz einer Nachlässigkeit.
Wie wir wissen, wird beiden Gewerken regelmäßig Bewunderung zuteil, und kein halbwegs interessierter Mensch wird ihre Wichtigkeit bezweifeln.
Ich habe mich über dieses Thema einmal mit einem jungen Kameramann gestritten. Aufhänger war die von uns beiden sehr geschätzte Serie „Breaking Bad“. Irgendwann fiel mir auf, dass hier grundsätzlich mit Handkamera gearbeitet wurde, also auch in den statischen Dialogszenen innerhalb geschlossener Räume, die einen beträchtlichen Teil der dramatischen Handlung ausmachen. Das leichte Gewackel des Bildausschnitts störte mich und erschien mir wie eine absichtliche Freiheit, die sich genommen wurde, um dem Betrachter unter der Hand zuzuraunen: „Schon toll, was die Kameramänner und -frauen da so alles leisten.“ Diese Bewegungen waren minimal, aber völlig unnötig, und deshalb sprach ich den Kameramann darauf an. Er solidarisierte sich natürlich sofort mit seinen amerikanischen Kollegen und bestätigte meine Vorbehalte ungewollt. Er erklärte mir sinngemäß, es sei ja das gute Recht dieser Leute, auch mal auf sich aufmerksam zu machen. Sonst würde ihre Arbeit ja allzuleicht übersehen. Da ich keinen Streit wollte, habe ich schnell das Thema gewechselt.
Die Stars im Bild stehen immer im Vordergrund – und überragen damit die (Synchron)Sprecher ebenso wie die Kameraleute, die Regisseure und – ganz besonders – die Autoren. Das liegt in der Natur der Sache. Wenn sie ihre Sache gut machen, wird das trotzdem Würdigung erfahren. Und ein guter „director of photography“ darf nach meiner Ansicht gerne ein Stativ benutzen, wenn es der Qualität des Ergebnisses zugutekommt. Diesen Fluch der Unauffälligkeit teilen die Mikrofon- und Kameraleute übrigens mit anderen selbstbewussten Spezialisten: Kriminalbeamten, Schönheitschirurgen, PR-Beratern und Spionen.