Die Kunst der Hörspieladaption

Der verschwundene Funktionstext

Dieser Tage läuft im NDR das zweiteilige Kriminalhörspiel „Der Russe aus Nizza“. Es ist ein für seine Entstehungszeit 2009 typisches Produkt: reißerisch, mit guter Atmo und ohne jeden Erzählrhythmus. Doch eines ist wirklich herausragend gelöst: die Adaption des Textes (Bearbeitung und Regie: Sven Stricker) versorgt uns in kürzester Zeit mit den für das Verständnis der Geschichte nötigen Grund-Informationen, ohne je in Funktionstext auszuarten: das sind diese albernen Textbausteine, die wir im Alltag nie verwenden würden, weil ja nicht in einer Hörspieladaption leben, in der wir den Hörern irgendetwas erklären müssen.
„Der Russe aus Nizza“ braucht nur knapp zwei Minuten, um uns drei der vier wichtigsten Personen (die vierte tritt erst später auf) vorzustellen und ihr Verhältnis zueinander zu erläutern. Das könnte ein Rekord sein!

    Nathalie: Na was meinst du?

Marcus:  Die Rossia?

    Nathalie:  (kichert) Rossiya.

    Marcus: Eine Schiffsreise … Du willst eine Schiffsreise machen? In Russland?

    Nathalie: (lacht) Ja!

    Marcus: Okay. Und warum bleiben wir nicht in Dänemark, so wie sonst auch?

    Nathalie: Ich glaube es würde uns guttun! Mir auf jeden Fall…

    Marcus: Stimmt was nicht mit uns?

    Nathalie: Nein, Quatsch was soll denn nicht stimmen?

    Marcus: Na ich mein ja nur … du hasst Russland.

    Nathalie: I-ich komm nun mal von dort…

    Marcus: Nathalie! Wir sind jetzt seit zehn Jahren verheiratet, und plötzlich fällt dir das auf?

    Nathalie: Manchmal muss man sich bestimmten Dingen eben stellen…

    Marcus: …. Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist…

    Nathalie: Ja, Marcus. Ganz sicher.

    Marcus: Gut, also wenn es das ist, was du möchtest, dann … ja, dann machen wir das eben.  Ich muss jetzt los, sonst verpass ich meinen Flieger.

    Nathalie: Marcus, triffst du in Nizza auch deinen Vater?

    Marcus: Wenn noch Zeit bleibt. Donnerstagnachmittag bin ich wieder da.

Der Russe aus Nizza

Hörspiel in zwei Teilen  nach dem Roman von Leif Davidsen

Erster Teil

    Vater Hoffmann: Wie geht es Nathalie mein Junge?

    Marcus:  Danke der Nachfrage, richtig gut. Sie verkauft immer mehr von ihrem Schmuck. Wenn das so weitergeht, muss sie vielleicht irgendwann gar nicht mehr als Dolmetscherin arbeiten.

    Marcus (als Erzähler im Off): Wir saßen in einem kleinen Restaurant mit Blick auf die Promenade und das Meer. Mein Vater war aus seinem idyllischen Dörfchen Fayence nach Nizza gekommen.

    Vater Hoffmann: Grüß sie bitte unbedingt von mir.

    Marcus: Ja, ja mach ich Vater. Sobald ich wieder zu hause bin.

    Vater Hoffmann: (lacht) Stimmt. Ihr telefoniert ja nie, wenn du unterwegs bist.

   Marcus: Na, ich muss mich halt auf meine Arbeit konzentrieren.

    Vater Hoffmann: Ja ja …deine Arbeit…

    Marcus als Erzähler: Er fand meinen Job total langweilig, die reine Zeitverschwendung. Und er hatte nie Lust, etwas darüber zu hören.

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