Richard III. privat

betr.: 118. Geburtstag von Laurence Olivier

Es gibt viele Bücher über den Jahrhundertschauspieler Laurence Olivier (das unangenehmste davon stammt übrigens von ihm selbst). Aber was sein Kollege Anthony Quinn über ihn zu erzählen hat – dies sind nur einige zusammengesuchte Anmerkungen aus dem betreffenden Kapitel in seiner Autobiographie -, findet man nirgendwo sonst:
 
Er sah normal und ziemlich unspektakulär aus. Er hatte einen wahnsinnig schönen, federnden Gang. Er pumpte meine Hand, als würde ich Wasser spenden. Er sprach mit einem furchtbaren britischen Unterschichtenakzent, den er auf der Bühne zwar zu verbergen verstand, der ihm jetzt aber wie die natürlichste Sache der Welt von der Zunge ging. Er spuckte die Worte schnell hintereinander aus wie ein aufgeregter Junge. Außerdem hatte er anscheinend einen Tick mit seinem Mund. Ständig leckte er sich die Lippen, saugte die Backen ein, ließ den Kiefer spielen – das Ganze glich einem nervösen Zucken. Ich fragte mich, ob er wohl gerade eine schlechte Grapefruit gegessen hatte.
Olivier war wie ein Boxer beim Training. Jahre vorher, als ich noch in East Los Angeles boxte, kamen meine Gegner vor dem Kampf manchmal zu mir in die Umkleidekabine. „Tony“, hieß es dann, „hör mal zu. Wir sind heute abend mit vier Runden dran, aber ich hab mir grad die Zähne richten lassen, also tu mir den Gefallen, und geh mir nicht ins Gesicht. Ist ohnehin bloß eine Show für diese Arschlöcher; wir wollen uns doch nicht verletzen.“ Dann stiegen sie in den Ring und prügelten die Scheiße aus mir raus. Genauso war es mit Olivier. Er hatte eine Art, die übrigen Schauspieler zu umschmeicheln, bis wir uns öffneten, dabei war er einzig darauf aus, alles im Griff zu haben. Er machte das eigentlich ganz lieb, aber auch unglaublich gerissen. Der Mann konnte die stille Theaterluft mühelos durchdringen wie Miles Davis mit seiner Trompete! – und wenn ich mitzuhalten versuchte, dröhnte er nur noch lauter.
Als Schauspieler war er ein zähes kleines Miststück, doch als Mensch schien er völlig harmlos und sehnte sich nach Gesellschaft. Er hatte etwas erschreckend Liebes und Trauriges an sich. Gleich am Anfang erzählte er mir, dass er eine schwere Zeit durchmache. Er war in die britische Schauspielerin Joan Plowright verliebt, nur hielten sie ihre beruflichen Verpflichtungen ständig voneinander fern. Und er ließ sich gerade von Vivien Leigh scheiden, die inzwischen krank geworden war. Er fühlte sich entsetzlich einsam und war schrecklich verwirrt.
Trotz aller Klasse und Gelehrsamkeit, die er auf der Bühne ausstrahlte, war er einer der ungehobeltsten Menschen, die ich je kennengelernt habe. Ich kam auch aus armen Verhältnissen, wusste aber trotzdem, wie man sich in einer solchen Situation verhielt. Doch Olivier war ein anderer Fall. Er war ein Tölpel aus der Unterschicht, der vorgab, mehr zu sein, und sobald er nicht mehr im Scheinwerferlicht stand, konnte der arme Kerl keinen mehr täuschen.

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