Runter von der Tanzfläche

betr.: morgiger Abschied von Manfred Behrens und „WDR 4 Soundtrack“

Normalerweise kommen Abschiede von Radiomoderatoren überraschend. Wir erfahren erst bei der Schlussmoderation, dass es keine weitere geben wird, hin und wieder wird es auch schon am Anfang der letzten Sendung verraten. Als ich selbst mal in die Lage geriet, mich aus einer Sendereihe zurückzuziehen, ermahnte mich mein Redakteur, es kurz und knapp zu halten.
Manfred Behrens, langjähriger Präsentator von „WDR 4 Soundtrack“ redet seit Monaten davon, dass er aufhören wird. Jetzt wird es endlich ernst. Die morgige Ausgabe ist die letzte, wenn er es sich nicht anders überlegt. Das Thema ist mit einem feucht-schmatzenden Augenzwinkern gewählt: „The Last Dance – Tanz im Film“.

Aus Liebe zur Filmmusik habe ich seit Jahren keine Folge versäumt – oder sagen wir: trotz dieser Liebe. Denn Herr Behrens kann Filmmusik offensichtlich nicht ausstehen. Er spielt Pop, Pop, Pop, hie und da mal Rock, einen Schlager oder eine schauerliche Wirtschaftswunder-Geschmacklosigkeit. Meistens – längst nicht immer! – findet er immerhin eine Begründung für die Musikauswahl, die irgendwie mit Kino zu tun hat. Das ist nicht so schwer, denn Popmusik ist in Filmen ja immer wieder anzutreffen. Es fiel jedoch auf, wie selten es in all den Jahren ein Orchester zu hören gab, das einen tatsächlichen Soundtrack spielte. Putzig auch die Musiklisten auf der WDR-Homepage. Zu solchen Titeln stand dann da etwa „Main Title – Filmorchester“ oder „Abspannmusik – Orch.“. Will eh kein Schwein wissen. Zuweilen gab es auch komplett soundtrackfreie Sendungen – etwa, wenn ein Musiker-Biopic den aktuellen Anlass hergab.

Mit dieser Fachwurstigkeit liegt der Moderator im Trend des linearen Angebotes. Die wenigen Filmmusik-Formate, die nicht ohnehin längst aus dem Schema verschwunden sind, werden allesamt von Kollegen und Kolleginnen moderiert, die gewiss Filmliebhaber sind – bzw. gern in Pressevorführungen gehen -, aber deswegen noch lange keine Filmmusik mögen.
Was mir am Donnerstagabend fehlen wird, ist Behrens‘ leutseliger Kneipen-Charme und sein Talent, knackige, sehr persönliche Inhaltsangaben zu formulieren. Er schaffte es stets, zu( eine)m Kern jedes Films durchzudringen und uns am Lautsprecher das Gefühl zu geben, es müsste lustig sein, mit ihm zusammen ins Kino zu gehen oder einen Videoabend zu verleben. In seinen Augen war auch nicht alles gleich gut. Es mag diese Qualität gewesen sein, die mich so treu hat dranbleiben lassen.
Und die mir fehlen wird.

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Eine Antwort zu Runter von der Tanzfläche

  1. Christian Görgen sagt:

    Anstatt Karten: Birgit Kahle, die unerreicht kenntnisreich die Tonart Filmmusik moderieren und redigieren konnte, hat meinen akustischen Horizont verlassen. Der Zeitpunkt des Exodus aus der Deutschland Radio Kultur Nacht markiert auch den Übergang dieses bewahrenden Senders in einen tropfnassen Agendaschwamm, der sein Absichtswasser nicht mehr halten kann.

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