„Das Bild ist körnig, und die Schärfe muss manchmal während der Projektion nachgestellt werden. Der Ton rauscht ein wenig und kommt von kleinen Lautsprechern. Die Leinwand ist entweder so groß wie ein Bettlaken oder das Filmbild wird einfach auf eine weiße Wand geworfen. Der Projektor wurde irgendwo im Raum aufgebaut, und im Hintergrund hört man leise seine Laufgeräusche“. So beschreibt Wilfried Hippen in der „taz“ den Charme des 16mm-Formats. „Diese Kinoerfahrungen aus Klassenzimmern, Filmclubs, Gemeindesälen und Hobbykellern prägten viele, die mit dem analogen Kino aufwuchsen.“ Wer wie ich in den 70er Jahren zur Schule ging, kannte die Technologie aus dem Unterricht. Für den pädagogischen Einsatz in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen wurden eigens 16mm-Filme produziert, deren unfreiwilliger Komik sich zu meiner Zeit bereits die vorführenden Lehrkräfte schämten. Neben dem Leben von Tieren und Pflanzen oder landeskundlichen Themen (ich erinnere mich an die sehr theatralische Darstellung einer „typischen“ Gerichtsverhandlung, die offenbar in die 50er Jahren hergestellt worden war und die Arbeitsweise der Doku-Soap vorwegnahm) wurde in solchen Programmen auch vor Drogen gewarnt oder Sexualkunde vermittelt. Apropos: „… ein wichtiger Teil der Geschichte des 16mm-Films war die Pornographie. Das Unterhaltungsmedium, mit dem die sogenannte ‚adult Industry‘ ihre größten Profite machte, waren vor der VHS-Ära die 16mm-Filmrollen.“
Das 16mm-Format wurde schon 1923 eingeführt und hatte „keine Aura wie der Super 8-Film, der auf vielen Festivals und in Spielfilmen wie ‚Super 8‘ gefeiert wird. 16mm ist kein Mythos, sondern auf den ersten Blick nicht viel mehr als eine Industrienorm. (…) Filme wurden dank der Verkleinerung der Filmstreifen von 35mm auf 16mm billiger und dadurch demokratischer – sowohl bei der Herstellung als auch in der Verbreitung, also bei Kameras und den Projektoren. Das Filmemachen war nicht mehr das Monopol von Studios, die sich als einzige die großen Kameras und das teure Filmmaterial leisten konnten. Filmkopien konnten billiger hergestellt und überall dort gezeigt werden, wo es Platz für die viel kleineren Projektoren gab. So entstanden viele Nischen, in denen eine neue, vielfältige und wilde Filmkultur sprießen konnte. (…) In solchen Nischen konnten etwa die Avantgardefilme von Kenneth Anger, Jonas Mekas und Andy Warhol entstehen. Nicht so bekannt wie dieser Künstlerikonen der 1960er Jahre ist Maya Deren, die in den 1940er und 190er Jahren mit ihren 16mm-Filmen die Avantgarde vor dieser Avantgarde war. (…) Ein anderer Filmkünstler, der Dank 16mm in Hollywood seine Filme kompromisslos nach seinen eigenen Visionen inszenieren konnte, war John Cassavetes“, bei dessen Film „Faces“ übrigens Steven Spielberg als unbezahlter Laufbursche mitarbeitete.
„Auch der Dokumentarfilm, wie wir ihn heute kennen, wurde erst durch die 16mm-Kameras möglich, denn nur mit ihnen konnten die Kameraleute nach draußen gehen, um dort beweglich und spontan die Wirklichkeit in ihren Bildern einzufangen.“
Noch immer wird auf diesem Material von unerschrockenen Nostalgikern produziert, doch die Haltbarkeit solcher Kopien ist besonders niedrig („Essigsyndrom“).
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