betr. 111. Geburtstag von Bernard Herrmann
Die Musik für seinen „Taxi Driver“ stellte Marin Scorsese vor ein besonderes Problem, denn er konnte das Konzept nicht wiederholen, mit dem er bisher so gut gefahren war. Seine vorangegangenen Werke „Hexenkessel“ und in gewisser Weise auch „Alice wohnt hier nicht mehr“ waren dafür gefeiert worden, dass ihr Soundtrack auf der Popmusik basierte, die das Milieu und die Zeit ihrer Charaktere abbildete. Im Mittelpunt seines neuen Films stand nun kein typischer Vertreter eines bestimmten Milieus. Robert De Niro spielte einen Anfang der 70er Jahre noch völlig unvorstellbaren Helden, eine Art Amokläufer, der dem Publikum als Identifikations- und Sympathiefigur angeboten wird und aus dessen Perspektive uns die ganze Geschichte erzählt wird.
Ähnlich wie Woody Allen (nur in umgekehrter Reihenfolge) musste Scorsese in seinem Soundtrack-Verhalten von bereits existierenden Schallplattentiteln auf eine Originalpartitur umsteigen. „Taxi Driver“ Travis Bickle gesteht seinem Date: „Ich höre nicht sonderlich viel Musik, aber ich würde es gern. Wirklich.“ Die Alternative zu einer Variation über die nicht vorhandenen musikalischen Vorlieben der Hauptfigur war eine Illustration ihres finsteren Weltbildes.
Scorsese wollte den Besten für diesen Job, aber Bernard Herrmann hatte kein Interesse. Er mochte schon den Titel des Films nicht („zu proletarisch“). Immerhin ließ er sich dazu überreden, das Skript zu lesen. Darin fand er etwas, was ihn schließlich umstimmte: „Ich mag die Stelle, wo er Pfirsichlikör über seine Cornflakes kippt. Ich mache es.“
Der für alle Beteiligten unerwartete Erfolg des Films verschaffte Bernard Herrmann zusätzlich zu seinem künstlerischen Triumph (mit einem coolen und für ihn vollkommen ungewöhnlichen Sound, der wie das Werk eines viel jüngeren Musikers klang) auch einen würdigen Abschluss seines Lebenswerks. Kurz vor Weihnachten 1975 reiste Herrmann nach Los Angeles, um die Musik zu dirigieren. Die letzte Session fand am 23. Dezember im Beisein von Martin Scorsese und Steven Spielberg statt, der die Bekanntschaft des Meisters machen sollte. Nach den Aufnahmen fuhr Herrmann in sein Hotel, legte sich hin und stand nicht wieder auf.