Der Deutsche Schlager – Phänomen mit falschen Freunden

betr.: „Die Giovanni Zarrella Show“

Der Deutsche Schlager ist das größte guilty pleasure dieses Planeten. Auch sein treuester Fan wird ihn jederzeit verraten und verspotten, sobald er in einer größeren Menschenmenge sitzt und dazu aufgefordert wird – z.B. von einem Comedian, der einen schlagerverachtenden Witz macht. – Otto Waalkes etwa brachte in den 70er Jahren (eine Blütezeit des Humoristen wie auch der Musikrichtung) den Gag: „Ich hab ein Buch geschrieben: ‚Der Deutsche Schlager und andere Geisteskrankheiten‘“. Der Saal tobte.
Es kommt sicher nicht selten vor, dass sämtliche Anwesenden, die lauthals über einen solchen Witz in Gelächter ausbrechen, in Wahrheit Schlagertanten sind – inklusive des Comedians. Eine größere Verlogenheit ist nicht vorstellbar, nicht einmal unter Katholiken.
Doch diese Unehrlichkeit trifft den genau Richtigen. Schließlich ist der Deutsche Schlager seinerseits unaufrichtig mit seiner Behauptung einer seichten sorglosen Welt mit all ihrem Schubidu, Hoppsassa und Trallala.
Entsprechend seicht und formatiert sind auch die Bekenntnisse zu ihm. Es gibt sie durchaus von Zeit zu Zeit. Zum Beispiel dieser Tage aus dem Munde von Giovanni Zarrella, der in Kürze eine einschlägige Show auf dem linearen Bildschirm präsentieren wird. Er liebe Deutsche Schlager weil „sie direkt ins Herz gehen, eine große Wärme vermitteln und auch unsere Sehnsucht stillen“, weil „sie die Sehnsucht nach Liebe, Frieden, Harmonie und Zusammenhalt unglaublich gut transportieren. Und weil sie es ehrlich meinen“.

Wir wollen einmal versuchen, uns dem Thema sachlich zu nähern. Die Wikipedia tut das übrigens nicht, wenn sie „einfachste musikalische Strukturen und triviale Texte“ beklagt.
Dabei ist es ganz einfach: die meisten Schlager sind Märsche (nicht etwa Walzer, wie man spontan vermuten könnte). Und der Deutsche marschiert nun mal gern.
Und marschieren kann man wahrhaftig aus unschöneren Anlässen als wegen der Show von Herrn Zarrella.
Der Deutsche Schlager lebe hoch!

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