Wohnwelten (13): Nabokovs Bösewicht Clare Quilty

betr.: 100. Geburtstag von Peter Sellers

Sieht man einmal davon ab, dass Humbert Humbert, der Held von Vladimir Nabokovs berühmtestem Roman „Lolita“, selbst sein größter Feind ist, ist Clare Quilty der Bösewicht der Geschichte. Nach meiner Meinung ist dieser Quilty außerdem die beste Rolle, die der Komiker und Charakterkomödiant Peter Sellers auf der Leinwand gespielt hat. Es gibt populärere Figuren, größere Erfolge und sicher auch bessere Filme – Stanley Kubricks „Lolita“ leidet nicht zuletzt an den moralischen Restriktionen, die der Verfilmung eines solchen Skandalromans 1962 zusetzten. Doch die amoralische Selbstbesoffenheit dieser Figur bietet dem sardonischen Sellers die größtmögliche Angriffsfäche und Fallhöhe.

Wie wohnte dieser Quilty? Nabokov beschreibt sein Anwesen aus der Perspektive von Humbert Humbert, der dort eintrifft, um den Hausherren umzubringen.

Eine vorsichtig ironische Stille antwortete auf mein Klingeln. Die Garage war jedenfalls mit seinem Auto geladen – ein schwarzes Cabrio diesmal. Ich versuchte es mit dem Klopfer. Re-niemand. Mit einem ungeduldigen Knurren stieß ich gegen die Haustür – und, wie nett, sie flog auf wie in einem mittelalterlichen Märchen. Nachdem ich sie leise hinter mir geschlossen hatte, ging ich geradewegs durch eine weiträumige, sehr hässliche Diele; spähte in einen angrenzenden Salon; bemerkte eine Anzahl benutzter Gläser, die aus dem Teppich wuchsen; kam zu dem Schluss, der Herr des Hauses befinde sich noch im herrschaftlichen Schlafzimmer und schlafe.
Ich stapfte also die Treppe hinauf. Meine rechte Hand umklammerte den in den Lappen gemummelten Kumpel in meiner Tasche, die linke patschte das klebrige Geländer hoch. Von den drei Schlafzimmern, in die ich hineinsah, war offenbar eines in der Nacht benutzt worden. Es gab eine Bibliothek voller Blumen. Es gab ein ziemlich kahles Zimmer mit großen, tiefen Spiegeln und einem Bärenfell auf dem schlüpfrigen Parkett. Es gab noch andere Gemächer. (…) Da das Haus alt war, enthielt es mehr verschwiegene Winkelchen als die modernen Prunkstätten, in denen für die verstohlenen Bedürfnisse planvoller Elternschaft das Badezimmer benutzt werden muss, der einzige abschließbare Locus.
Apropos Badezimmer – ich war gerade im Begriff, ein drittes in Augenschein zu nehmen, als der Hausherr in Hinterlassung eines kurzen Wasserfalls aus ihm herauskam.

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