Broadway’s Like That (35): Die Musical-Klassiker-Fabrik

13. Richard Rodgers mit Oscar Hammerstein II (1)

„Oh, What A Beautiful Morning“  – Eine junge Farmersfrau sitzt allein auf der Bühne und macht Butter. Ein junger Mann tritt singend hinzu, begrüßt beglückt den herrlichen Sommermorgen. Auf diese ungewöhnliche Weise – keine Chorus Line, keine spektakuläre Ensemblenummer, stattdessen ein lyrischer Song, der Atmosphäre schafft und zugleich schon den singenden Protagonisten charakterisiert – auf diese Weise beginnt „Oklahoma!“.

Ein Meilenstein in der Geschichte des Genres Musical, leitete „Oklahoma!“ 1943 eine neue Ära ein, die von Historikern als Golden Age Of The Broadway Musical bezeichnet wird. Diese Ära wurde geprägt von ihren Autoren, zuallererst von Richard Rodgers und Oscar Hammerstein II. Die Theatre Guild – jene seriöse Theatervereinigung, in deren „Garrick Gayities“ Richard Rodgers seinem ersten Partner Lorenz Hart 1925 der Durchbruch gelungen war – machte Rodgers auf das Drama „Green Grow The Lilacs“ von Lynn Riggs, das sie 1931 aufgeführt hatte, als mögliche Vorlage zu einem Musical aufmerksam. Rodgers erkannte das Musical-Potential des Stückes, obwohl ein Stoff, der das Landleben der Pioniere im Südwesten der USA um 1907 behandelt, als Musical-Sujet aus dem Rahmen fiel. Da sich sein Noch-Partner Hart, mit dem sich die Zusammenarbeit ohnedies immer schwieriger gestaltete, an dem Stück nicht interessiert zeigte, wandte sich Rodgers mit dem Projekt an den Librettisten und Textdichter Oscar Hammerstein II.

“Oklahoma!“, zu dem „Green Grow The Lilacs“ schließlich wurde, legte den Grundstein für eine außergewöhnlich erfolgreiche Zusammenarbeit, die bis zu Hammersteins Tod im Jahre 1960 andauern sollte und neun Bühnenmusicals hervorbrachte.

Der 1895 geborene Hammerstein entstammte einer Theaterfamilie. Sein Großvater, der erste Oscar, hatte zu Beginn des Jahrhunderts mit seinem „Manhattan Opera House“ der Metropolitan Opera Konkurrenz gemacht, bis ihn deren finanzielle Übermacht in die Knie zwang. Bereits als 14jähriger theaterbesessener Schuljunge, lernte Rodgers Oscar II kennen. Dieser, Student an der New Yorker Columbia Universität, schrieb Texte für universitäre Theateraufführungen. Rodgers erinnert sich in seiner Autobiographie, wie er nach einer solchen Varsity-Show ehrfürchtig staunend dem weltmännischen Studenten vorgestellt wurde:

„Hammerstein war ein sehr großer, magerer Bursche mit einem lieben Lächeln, klaren blauen Augen aber einem leider fleckigen Teint. Er reagierte auf mein ungeschicktes Lob mit echter Dankbarkeit und gab mir das Gefühl, dass gerade meine Wertschätzung das allergrößte Kompliment für ihn sei. Es wurden keine unvergänglichen Worte gewechselt bei diesem ersten Zusammentreffen, aber Jahre später gab es uns Anlaß zu einer langwierigen Meinungsverschiedenheit. Oscar bestand darauf, dass ich damals kurze Hosen getragen hatte, während ich mit der gleichen Gewissheit unnachgiebig drauf beharrte, dass ich es schon zu langen Hosen gebracht hatte.“

Einen ersten gemeinsamen Song schrieben Rodgers & Hammerstein tatsächlich schon 1920. Sie gingen aber zunächst getrennte Wege. Rodgers bildete ein festes Team mit Lorenz Hart, Hammerstein arbeitete etwa mit den Operettenkomponisten Rudolf Friml und Sigmund Romberg zusammen – und natürlich mit Jerome Kern, an „Show Boat“ und einigen weiteren Kern-Musicals.

Obwohl mit unterschiedlichen Bereichen des Musicals befasst – Hammerstein mit den eher der Operette zuneigenden, Rodgers mit der Musical Comedy – hatten beide unabhängig voneinander bereits zu einer größeren Stimmigkeit des Musicals beigetragen. Geist und Ausdruck von Hammersteins Songtexten waren ganz anders die von Rodgers erstem Partner Lorenz Hart. Den brillanten, wortgewandten, witzig-sarkastischen Songtexten Harts kontrastiert der menschenfreundliche, vertrauensvolle, emotionale Ton Hammersteins. Das waren Eigenschaften, die gerade dem lyrischen Moment in Rodgers Musik entgegenkamen. Darüberhinaus verlangte ein bodenständiges Sujet wie „Oklahoma!“ nach ebendiesen Textqualitäten. Und genau wie Rodgers seine Musik für „Oklahoma!“ folkloristisch colorierte, gab Hammerstein seinen Texten eine Dialektfärbung.
„Rodgers und Hammerstein feilen und schrauben an der Utopie einer liberaleren und inklusiveren Gesellschaft. Die Liebesgeschichte, in der sich, zum Beispiel, eine Außenseiterin wandelt, assimiliert und schließlich in die Gemeinschaft aufgenommen wird, ist dabei das notwendige ‘Hilfsmittel‘“, schreibt die Literaturwissenschaftlerin Andrea Most. Oscar Hammerstein war Mitglied der jüdischen Gemeinschaft und hat seine eigene Erfahrung von „Anderssein“ sowie die Integrationserfahrungen von Juden in seine Libretti eingearbeitet.*
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* siehe https://blog.montyarnold.com/2023/04/14/22688/

Forts. folgt

 

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