Richard Kummerfeldt – An den Rändern der Traumfabrik (7)

Fortsetzung vom 6. 9.2019

Diesen Bericht seiner späten Aktivitäten als freier Filmmusikproduzent verfasste Richard Kummerfeldt im Exil in Südamerika für ein (deutsches?) Fachmagazin. Es gewährt Einblicke in die letzten Jahre der Tonträgerindustrie vor deren Verschlafen der digitalen Revolution, in die Welt der käuflichen Filmmusik, die Seele des Sammlers (heute „Nerd“), die Finessen des sich wandelnden Urheberrechts und erzählt von der Arbeit mit schwierigen Bürohengsten und Künstlerpersönlichkeiten in den 90er Jahren.

In Cannes steht ein Fettnäpfchen

Mir flatterte „Ein Engel an meiner Tafel“ auf den Tisch, Joe Haensch wurde mit „Company Business“ vorstellig. Die in Berlin stattfindenden Musikaufnahmen waren ein guter Anlass, Joe endlich persönlich kennenzulernen und dem Komponisten bei seinem Dirigat zuzuschauen. Intrada veröffentlichte den Titel in den Staaten, Europa wurde mir überlassen. Merkwürdigerweise verkaufte sich die CD im Inland sehr schwer. Der Sammler in Deutschland bevorzugte das amerikanische Original, auch wenn er dafür fünf Mark mehr hinblättern musste und die Musik zu 100% identisch war. Die Verkäufe ins benachbarte Ausland kompensierten diese Missernte einigermaßen.

Im Januar 1991 fuhr ich zum ersten Male nach Cannes, zur alljährlich stattfindenden Musikmesse MIDEM. Ich fand die Beat-Leute wieder, ebenso hatte Cinevox einen Stand und auch CAM* war vertreten. Alle Versuche, die Festung CAM zu stürmen, waren bisher gescheitert, aber jetzt hatte die Tochter vom Big Boss die Abteilung Lizensierung übernommen. Mal sehen, wie das ausgehen würde.
Noch in Hamburg hatte ich per Fax mit Fräulein Campi einen Termin ausgemacht. Jetzt hatte ich auch Visitenkarten und ein paar Muster dabei. Ich war für dieses Gespräch bestens gerüstet, und Fräulein Campi umriss in klaren Worten ihre Vorstellung einer Zusammenarbeit. Sie hatte eine Liste mit ca. 100 Titeln, die Cam auf CD (wieder)veröffentlichen wollte. Außerdem kämen jetzt noch aktuelle Titel  dazu. Aus dem Rest des Kataloges (ca. 300 Titel) könne ich mich gerne bedienen.
Ich war am Ziel meiner Wünsche und erzählte, dass mein Boss auch in Cannes sei und die Gelegenheit doch günstig wäre, ihn kennenzulernen. Außerdem spräche er fließend Italienisch … Ich suchte also VRC auf, erzählte ihm vom Ergebnis der Unterhaltung und dass Fräulein Campi ihn gerne treffen würde. Was habe ich mich über mein diplomatisches Geschick gefreut! Dabei erwies sich diese Aktion eine der schlechtesten Ideen meines Lebens!

Am nächsten Tag gingen wir beide also zu CAM, und ich machte die Herrschaften miteinander bekannt. Sofort sprudelten sie auf Italienisch los. Ich verstand kein Wort. Musste ich ja auch nicht, VRC würde mir hinterher schon alles erzählen. Auf einmal sah ich das Gesicht von Fräulein Campi die Farbe wechseln. Sie drehte sich wortlos um ließ uns stehen. Was war denn jetzt auf einmal los? VRC wusste angeblich nicht, was in die junge Frau gefahren war.

Das Rätsel, was uns alles vermasselt hatte, trieb mich nochmals an den Stand von CAM. Fräulein Campi war nicht mehr zu sprechen, also fragte ich ihre Sekretärin. Mich traf fast der Schlag. Da wollte VRC wohl besonders lustig sein und benutzte ein wenig schönes Wortspiel. Er machte aus ihrem Namen Campi Scampi und setzte noch einen drauf, indem er hoffte, dass sie nicht auch so rieche. Ich habe Victor Rinaldo nie gesagt, was ich da in Erfahrung gebracht hatte. Mit den Jahren habe ich ihm das Vorgefallene vergeben. Aber vergessen kann ich es nicht. Für mich war die Messe damit gelaufen, und ich absolvierte die restlichen Gespräche mit wenig Begeisterung.
VRC habe ich nie wieder mit potentiellen Geschäftspartnern bekannt gemacht. Ca. 14 Monate später sollte er Proton wegen Zahlungsunfähigkeit schließen.
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* Edles italienisches Filmmusik-Label

Forts. folgt

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