Wer hören will, muss fühlen

betr.: Buch und Hörbuch „Das Duell“ und dessen Übertragung in der Funkreihe „Am Morgen vorgelesen“

Volker Weidermann ist der Moderator einer Literatursendung, die ein zentrales Bedürfnis und eine große Sorge hat. Sie will verhindern, dass irgendein Mensch, der ihr zusieht, die Literatur oder den Vorgang des Lesens an sich zu ernst nehmen könnte. Und sie fürchtet sich sehr, selbst als intellektuell wahrgenommen zu werden. Mit betonter Flapsigkeit (so nach dem Motto: „Dostojewski musste auch mehrmals täglich aufs Klo.“) wird hier die Botschaft ausgegeben: bleibt cool, Leute. Ist doch nur bedrucktes Papier.
Das ist legitim, zumal in einem Programmumfeld, in dem man sich über jede Literatursendung gefälligst freuen muss. Doch leider heißt dieses Format „Das literarische Quartett“ und betrachtet sich als Nachfolger der gleichnamigen Sendung aus dem 90er Jahren. Wer diese und ihren Vorsitzenden Marcel Reich-Ranicki geliebt hat, dem fällt es schwer, angesichts der Wiederauflage cool zu bleiben.

Folgerichtig und ausgerechnet jener Volker Weidermann hat nun Marcel Reich-Ranicki und dessen Lieblingsfeind Günter Grass ein Doppelportrait gewidmet: „Das Duell“. Die F.A.Z., der Stützpunkt des großen Literaturkritikers, verreißt dieses Buch gründlich, aber mit Nachsicht. Dass es darin nichts Neues gäbe und dass der Autor keine Position bezöge, wird damit erklärt, er habe „schlicht zu viel Respekt vor seinem Personal“. Der Rezensent beklagt auch die Trockenheit dieses Buches über ein so leidenschaftlich parteiisches Handwerk wie die Literaturkritik und ihren so überaus unterhaltsamen Popstar Marcel Reich-Ranicki.

So gesehen ist die Lesung, die „Das Duell“ nun erfahren hat, eine definitive Umsetzung. Gert Heideneich liest den Text mit einer unverwandt-bürokratischen Korrektheit, die sich anfühlt, als lausche man dem Protokoll einer  Eigentümerversammlung. Nur drückt sich hier definitiv kein persönlicher Respekt vor den Portraitierten aus, wie ihn der F.A.Z.-Kritiker  beim Autor des Buches ausgemacht hat. Man spürt ein institutionelles Strammstehen, ein korrektes Durchwinken, das „Hochachtungsvoll“ am Ende einer unfrohen Botschaft.
Die höfliche Unterstellung, dass sich einer der an dieser Sprachproduktion Beteiligten – Redaktion / Lektorat, Regie oder Interpret – für den Gegenstand aufrichtig interessiert haben könnte, wird bereits von der Tatsache getrübt, dass Herr Heidenreich die lebenslange Gefährtin und Ehefrau Marcel Reich-Ranickis (die auch in den Medien durchaus gegenwärtige) „Tosia“ statt „Toscha“ ausspricht. (Das haben gelegentlich auch Reporter getan, woraufhin MRR zu lächeln und zu sagen pflegte: „interessante Aussprache…“. Und das ist gar nicht so lange her.) Ihr bürgerlicher Vorname wird überdies falsch betont (auf der dritten statt auf der zweiten Silbe).
Meine etwas spießige Beschwerde beim ausstrahlenden Sender wurde Minuten später mit dem Hinweis, das ließe sich nicht mehr ändern (Stimmt nicht! Im Übrigen werden auch in den Neuauflagen gedruckter Bücher Fehler nach Möglichkeit korrigiert.) und der Hoffnung beantwortet, ich könne die Fortsetzungen der Lesung trotzdem genießen. Das fällt mir schwer angesichts der Präsenz der falsch Intonierten und des Problems, auf das diese scheinbare Nebensächlichkeit ein Licht wirft.

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