Die Marvels wie sie wirklich waren: Wolfgang J. Fuchs (2)

Diese Serie mit Artikeln zur Geschichte der Marvel Comics aus dem Silver Age ist eine Übernahme aus dem Fanmagazin „Das sagte Nuff“ (2005-10). Ich bedanke mich herzlich für die Genehmigung, sie hier wiederzugeben. 
Dieses Interview mit einem der verdienstvollsten Comic-Spezialisten stammt aus den Ausgaben 1 und 2. Bei der Einrichtung dieses Blogs erreichte mich die Nachricht vom überraschenden Tod von Wolfgang J. Fuchs im Alter von 74 Jahren am 20. Januar.

Western von gestern – Interview mit Wolfgang J. Fuchs
(Fortsetzung vom 5.2.2020)
von  Daniel Wamsler
http://dassagtenuff.blogspot.com/

So gründlich wie ein technisches Handbuch, so zeitlos wie ein Gedicht von Tucholsky, so unterhaltsam wie der verhandelte Gegenstand: Wolfgang J. Fuchs‘ wichtigster bleibender Beitrag zu seinem Thema. Im Großformat hatte „Anatomie eines Massenmediums“ einen angemessenen Alternativtitel.

Daniel Wamsler: Bereits 1976 hattest Du für das Schweizer Fan-Magazin „The Comic-Digest“ in einem Artikel die fünf  Phasen der Hit Comics aufgeschlüsselt. Je zwei Ausgaben der „Spinne“ und der „Fantastischen Vier“ sowie das berühmt-berüchtigte „Horror“ Nr. 7 entfielen im Monat der Namensänderung von bsv in Williams. Hast Du als damaliger Übersetzer davon etwas mitbekommen?

Wolfgang J. Fuchs: Jein. Nur insofern als ich erfuhr, dass in dem betreffenden Monat keine Hefte erscheinen würden. Die Umstellung erfolgte möglicherweise auch aus organisatorischen und/oder finanziellen Gründen und/oder Problemen. Wie ich inzwischen erfahren habe, hatten auf dieser Liste zwei Hefte gefehlt, weil ich die seinerzeit einfach nicht bekommen hatte.

Einige der späten Hit Comics waren miserabel übersetzt (z.B. „Spinne“ Nr. 250), andere wiederum richtig gut. Wie erklärst Du Dir den Qualitätsunterschied? Welche Hefte stammten von Dir und hast Du noch alte Unterlagen, Rechnungen oder Briefkorrespondenz mit dem Verlag?

Vermutlich waren da unterschiedliche Leute am Werk. Von den späten Hit Comics habe ich nichts übersetzt. Soweit erinnerlich nur einige frühe in schwarzweiß. Klar habe ich noch Unterlagen und Rechnungen.

Zumindest bei den Zweitstorys, zum Teil auch den Hauptgeschichten in den farbigen Hit Comics mussten eigene Farbfilme hergestellt werden, die oft genug im Widerspruch zum Text standen und dadurch eine unfreiwillige Komik erzeugten (Beispiel: Lady Dorma soll sich durch eine Pille in eine Luftatmerin verwandeln, ihr Teint ist aber durchweg rosafarben, wogegen im Text darauf angespielt wird, dass sie nun nicht mehr bläulich sei. In einem anderen Heft wurde für ein Panel Namors Widersacher in die Hosen des Atlantäers gesteckt, wodurch er sich scheinbar an zwei Orten zugleich befindet. Auch die sonst grünen, weil radioaktiv geschaffenen Gegner des Hulk, wie Abomination oder Leader, sind oftmals schweinchenrosa gefärbt). Ist Dir bekannt, wo diese Einfärbung stattfand, schließlich erschienen die Hefte in mehreren Ländern gleichzeitig?

Also da bin ich ehrlich gesagt überfragt. Aber offensichtlich haben die KoloristInnen den Text nicht gehabt oder nicht gelesen.

Zur selben Zeit wurden manche der Hulk-Abenteuer auf zwölf statt zehn Seiten ummontiert, einmal auch auf neun Seiten zusammengepresst. Wer war für diese Eingriffe verantwortlich?

Die Redaktion bzw. in deren Auftrag das Grafik-Studio.

Kurioserweise verwendete Williams die Hit Comics-Farben in der Schlussphase erneut, wodurch der Leser zum Teil sowohl Originalfarben als auch Dinge wie einen himmelbau-rosarot gefärbten Spider-Man zu Gesicht bekam. In den Jahren zuvor wurden stets neue Farben mit feinerem Raster angelegt. Wieviel hast Du davon mitbekommen?

Nur das, was im fertigen Heft vorlag. Das mit dem feineren Raster hing damit zusammen, dass man ein besseres Druckresultat erzielen wollte oder aber die Originalfilme nicht hatte (oder weil zu teuer nicht nehmen wollte). Dass die Originalfarben im Druck wesentlich besser kamen als in USA sah man z.B. an den beim bsv publizierten Gold Key-Heften.

Bezüglich des Übergangs von den Hit Comics zu den neuen Superhelden 1973/1974 gibt es widersprüchliche Angaben. Laut Peter Skodzik erschien das „letzte Heft (…) im Januar 1973“, womit wohl die Hit Comics gemeint sind, die bereits unter der Bezeichnung „Superhelden“ veröffentlicht wurden. Der Neustart erfolgte im Januar 1974. Augenzeugen zufolge lagen allerdings die „neue“ Spinne Nr. 1 und die „alte“ Nr. 254 gleichzeitig an den Verkaufsständen der damaligen Zeitschriftenhändler aus, was manchen frisch hinzugekommenen Leser nach dem Verbleib der restlichen 253 „Spider-Man“-Ausgaben fragen ließ.

Naja, das mit den Daten stimmt schon. Ebenso das, was die Augenzeugen berichten. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass die bsv-Hefte ab irgendeinem Zeitpunkt im Phasenvertrieb ausgeliefert wurden, die Williams-Hefte aber zunächst gleichzeitig in der gesamten BRD. Dadurch war es schon möglich, dass die letzten Hit Comics zusammen mit den neuen Marvel-Comics am Kiosk lagen.

Stimmt es, dass die letzten „Spinne“ und FV-Ausgaben der „Hit Comics Superhelden“ nur noch aus Vertragseinhaltungsgründen produziert wurden?

Möglich. Aber ich war ja weit weg von Aachen und von Hamburg. Und ich erinnere mich nicht, ob Klaus Recht zu diesem Punkt je etwas erzählt hat.

Die Warner Bros. hatten in den USA Anfang der 70er National Periodicals (DC Comics) übernommen, deshalb auch das W-Symbol auf den späten Hit- bzw. Superhelden-Comics. Da die Marvels zu dieser Zeit weltweit über eine Tochtergesellschaft von DC vertrieben wurden, waren diese auch nach Deutschland gelangt. 1974 startete der Williams Verlag sieben Serien neu ab Nr. 1. Du warst als Übersetzer von „Spinne“ und „Dracula“ (eventuell auch weiterer Serien) weiterhin an Bord. Veränderte sich durch die Umstellung etwas an Deiner Arbeit?

„Dracula“ habe ich ja auch gemacht. Das hatte ich ganz vergessen. Aber zu Deiner Frage: kaum.

Als achte Superheldenserie sollte der Produktionsnummer nach “SHAZAM!“ laufen. Während die deutsche Nr. 1 niemals offiziell in den Handel kam, brachte es das niederländische Pendant immerhin auf elf Ausgaben. Sollte sich der Ehapa-Verlag hier tatsächlich eingeschaltet haben? „Superman“ tauchte schließlich nur auf dem Cover auf, sozusagen als „Starthilfe“?

Da könnte was Wahres dran sein. Aber die Frage müsste man an Ehapa richten.

Waren noch weitere Titel im Gespräch, die man 1974 starten wollte? Hätte beispielsweise ein Patriot wie Captain America , der es auf nur zwei eher zufällige bsv-/Williams-Veröffentlichungen in einem Zeitraum von dreizehn Jahren brachte, eine reelle Chance gehabt?

Kaum. Das ganze war ja auch so schon ein finanzieller Kraftakt.

Namensunterschiede bei einzelnen Figuren kamen vor allem zwischen den frühen Williams-Covern und Inhalten vor. Iron Man hieß außen „Eisenmann“, wogegen er in den Avengers-Storys „der Eiserne“ genannt wurde. Seinen ersten Williams-Auftritt absolvierte der auf dem Titelblatt angekündigte Dr. Strange als „Dr. Seltsam“ und Blade wurde als „Klinge“ bekannt. Wurden Cover und Inhalte getrennt voneinander bearbeitet, oder warum kam es zu solchen verwirrenden „Pannen“?

Zum einen lag es wohl an verschiedenen Übersetzern und daran, dass die Titel gesondert von den Heften angefertigt wurden. Aber Genaueres weiß ich darüber auch nicht. Your guess is as good as mine.

Einer der Bösewichte in „Tales To Astonish“ war der Leader in den Geschichten des Hulk. Während man in bei bsv noch mit „Führer“ betitelte, nannte ihn Williams „Spiritus Rektor“. Zwar eine politisch korrekte und durchaus gelungene Eindeutschung, doch nicht gerade freundlich für den Letterer. Was meinst Du?

Politisch korrekt und vernünftig. Und für den Letterer im Großen und Ganzen selten ein Problem. (Anfangs war das übrigens Maschinenlettering mit einer Maschine, die ein Duplikat der Letteringmaschine von Charlton Comics war.)

Nach der fünften Monatsproduktion stellte der Verlag den Heftumfang von 36 auf 32 Seiten um. Der Druck erfolgte nicht wie bisher in Italien, sondern in Deutschland. Trotz andersklingender Worte von Seiten der Redaktion wurden die Geschichten zum Teil erheblich gekürzt. Hattest Du darauf Einfluss bzw. musstest Du Deine Übersetzung den fehlenden Bildern und Seiten anpassen?

Keinen Einfluss. Für die Übersetzung kam immer das Heft, wie es fertig aussehen sollte (aber ohne die Redaktionsseiten).

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