Einfach lächerlich

betr.: Portrait des kürzlich verstorbenen Komikers Fips Asmussen, heute abend um 20 Uhr im Deutschlandfunk

Mein Vater und ich haben einander kaum gekannt. Jedenfalls nicht in dem Sinne, dass wir uns jemals inhaltlich ausgetauscht hätten. Als ich – der Zweitgeborene – heranwuchs, hatte er längst mit den Klischees des Familienlebens gebrochen und zeigte sich seinem zunehmenden Nachwuchs nur noch wie ein muffiger Oberförster, der hin und wieder durchs Gehölz steigt, ohne sich mit den Geschöpfen des Waldes persönlich einzulassen.

Ein einziges Mal machte er einen versöhnlichen Versuch, Verbindung mit mir aufzunehmen.
Ich war 17 und hatte mich schon vor einiger Zeit entschlossen, den Beruf des Humoristen zu ergreifen. Obwohl ich mir erste ernsthafte Bemühungen in diese Richtung erst ab 20 zutraute und da eine kulturelle Infrastruktur kilometerweit nicht vorhanden war, probierte ich mich im dörflichen Karneval aus. Die drei jährlichen Kappensitzungen im Pfarrsaal unseres Dorfes waren tatsächlich große Ereignisse, so dass ich das Glück hatte, gleich zu Beginn meiner Laufbahn ein volles Haus zu haben. Am Erfolg meines Unternehmens zweifelte ich keine Sekunde. Es gab zwar ein paar wirklich witzige Beiträge – ich erinnere mich an zwei junge Mädchen, die die als Dorftratschtanten auftraten – aber eigentlich ist Fasching ja nicht zum Lachen da, sondern eher eine rituelle Begegnung zum gemeinsamen Feiern, bei der auf Tusch-Signal „Hoho“ gemacht und applaudiert wird. Ich brauchte also nur kurz unseren Pastor zu parodieren und ein paar Otto- und Loriot-Nummern halbwegs sauber zu bearbeiten, dann würde es schon schiefgehen.
Ging es auch. Meine Feuertaufe war ein wohlig sprudelndes Bad. Mit mir selbst als Badewannen-Kapitän.

Einige Tage später also besuchte mich mein Vater ungewöhnlicherweise auf meinem Zimmer. Meinen Erfolg  erwähnte er nicht. Ich nehme auch nicht an, dass er von meinen Ambitionen wusste. Jedenfalls war er der Meinung, ich könnte noch etwas lernen und schenkte mir eine Witzcassette.
Ich ahnte, dass mir dieses Programm nicht gefallen oder gar weiterhelfen würde – schließlich war ich aus Radio und Fernsehen ja längst mit den Spitzenleistungen des Nonsens und des Blödelbardentums versorgt. Aber ich fühlte mich verpflichtet, es mir wenigstens anzuhören.
An diesem Tag erfuhr ich, wer Fips Asmussen ist. Ich spürte, dass hier ohne Frage ein Vollprofi am Werk war, aber – und alles andere ist unwichtig – ich amüsierte mich nicht im Ansatz. Natürlich nicht. Ich war ja gar nicht gemeint. Ich gehörte ganz offensichtlich nicht zur Zielgruppe, und das fand ich so tröstlich und anspornend, dass mich (mitten in meinem Coming-Out!) nicht einmal der schwulenfeindliche Witz verletzte, der gleich zu Beginn zu hören war.

Obwohl nicht so hilfreich wie von meinem Vater angestrebt, war diese schauerliche Dreiviertelstunde nicht für die Katz. Ich konnte diese Sparte der Unterhaltung nun auf meiner Landkarte verzeichnen und künftig einen Bogen darum machen. Nie wieder würde ich so etwas nur deshalb ertragen müssen, nur um überhaupt mitreden zu können.
Zur Neuordnung des Vater-Sohn-Verhältnisses taugte sie jedoch nicht. … Vielleicht wenn es eine Witzcassette von Herbert Hisel oder von Günter Willumeit gewesen wäre und nicht ausgerechnet eine von Fips Asmussen, dem Oheim all dessen, womit ich nicht gemeint bin.

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