Vollschlank und federleicht

betr.: Das Hörbuch „Über den Dächern von Nizza“ von Jens Wawrczeck nach Alfred Hitchcock (Edition Audoba)

Carl Theodor Dreyer verstand keinen Spaß, wenn es um seinen Beruf ging: „Wir Regisseure tragen eine große Verantwortung!“ erklärte er. „Wir haben es in der Hand, aus dem Filmgeschäft Kunst zu machen. Dafür brauchen wir Ernsthaftigkeit bei der Arbeit, wir müssen etwas wollen und dürfen nicht den Weg des geringsten Widerstandes gehen!“ Viele Filmbücher später wissen wir, dass Hitchcock auf diesem Gebiet untadelig war – wenn man seinen Filmen auch die Mühe und Selbsthinterfragung niemals anmerkt. Dass er damit auch noch Erfolg hatte, nahmen ihm viele übel, obwohl Erfolg doch so wichtig ist, wenn man „etwas will“, weil nur er Aufmerksamkeit bedeutet.

„To Catch A Thief“ entstand in Hitchcocks produktivster und erfolgreichster Phase (etwa ein Klassiker pro Jahr), und dennoch wirkt er ganz besonders mühelos. Dieser Film ist so leicht, dass ihn die zeitgenössische Kritik als „Hitchcock-Champagner“ bezeichnet hat. Ich habe ihn zu einem sehr frühen Zeitpunkt meines Lebens kenngelernt, und es hat mich völlig verdorben. Seither denke ich, es müsse ja wohl möglich sein, eine Komödie und einen Krimi gleichzeitig zu erzählen. Wie schwer das tatsächlich ist, konnten wir viele Jahre später besichtigen, als Quentin Tarantino in „Pulp Fiction“ zwei Killer minutenlang über Fast Food philosophieren ließ und wir trotzdem gebannt lauschten. In Deutschland wie in Hollywood entstanden in den nächsten Jahren zahlreiche Tarantinaden, die daran erstickten, dass gefährliche Typen nicht automatisch lustig sind. Es ist eine der vornehmsten Pflichten des Entertainers, das Schwere wie ein Kinderspiel erscheinen zu lassen. Wenn ihm das gelingt, wird er sogleich unterschätzt. Hitchcock schadete seinem Ruf um die Zeit von „To Catch A Thief“ aber noch auf eine andere Weise: er startete eine langlebige TV-Serie, in der er so witzig war, dass er von niemandem mehr ernst genommen wurde, vor allem von der Kritik nicht. Das alles sah einfach zu leicht aus.
Es war aber auch die Zeit, in der ein junger Filmkritiker namens Francois Truffaut mit der Bitte um ein Mammut-Interview an den Meister herantrat. Truffaut war schon deshalb der Richtige dafür, weil seine Nation gleichermaßen für ihre Filmkunst wie für ihre Filmkennerschaft geachtet wird.
Als ob er geahnt hätte, wie gut dieses Interview seinem Ansehen tun würde, beginnt Hitchcock „To Catch A Thief“ mit den Worten: „Wenn Sie das Leben lieben, lieben Sie Frankreich!“

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