Ian Fleming – Böses muss auch hässlich sein dürfen

betr.: 113. Geburtstag von Ian Fleming

Wer hätte das gedacht? James Bond – einst ein Franchise, von dem man nur träumen konnte, ein programmierter Erfolg – ist zum Problemfall herabgesunken. Die pandemiebedingte Verschleppung des aktuellen Films war nur die letzte in einer Reihe von Verzögerungen, Absagen und Wiederaufnahmen, Umbesetzungen und ächzenden Pressemeldungen à la „Das ist jetzt aber wirklich das letzte Mal!“ (so sinngemäß Hauptdarsteller Daniel Craig).* Wann immer „Keine Zeit zu sterben“ nun tatsächlich startet – es wäre zynisch, hier vom „neuen Bond“ zu sprechen.
Auch sein Schöpfer Ian Fleming ist vom Lauf der Welt nicht unbeschädigt geblieben. Sein genießerischer Umgang mit Frauen ist uns inzwischen ebenso verleidet wie sein eurozentrischer Umgang mit fremden Völkern. In einem Radiofeature wurde er kürzlich als „Ethnologe Ihrer Majestät“ beschimpft. Wenn er noch lebte, würde der Autor uns vermutlich daran erinnern, dass ihm selbst seine eigenen Bücher noch nie besonders gefallen haben.

Was uns (noch) bleibt, ist die Freude an Flemings Umgang mit Bösewichten. Kinglsey Amis hat darauf hingewiesen, wie hässlich diese Burschen stets gewesen sind, um es uns zu erleichtern, sie zu hassen. (Ja, das durfte man früher: erfundene Schurken waren tatsächlich zum Hassen da!) „Goldfinger“ war in der literarischen Vorlage ein vollendeter Giftzwerg, und mit Blofeld wurde es immer schlimmer. Bereits bei seinem ersten Auftritt in „James Bond und das Unternehmen Feuerball“ (1961) sah er reichlich seltsam aus. In den folgenden Romanen veränderte er sein Äußeres, magerte von 130 auf 75 Kilo ab. In „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (1963) zeigt seine Nase schließlich die Verwüstungen einer tertiären Syphilis.
Im Film verzichtete man in den ersten Jahren darauf, Blofelds Gesicht überhaupt zu zeigen, und als sich 1967 dann Donald Pleasence in „Man lebt nur zweimal“ endlich aus der Deckung wagte, hatte er eine fette Narbe quer übers Gesicht. Dr. Nos Stahlzangen wurden im Film etwas menschlicher gestaltet, versagten aber, als er sich damit vor dem Abrutschen in kochendes Wasser retten wollte.
Es geht noch schlimmer: „Wenn eines Menschen Pupillen ‚wie bei Mussolini‘ ganz von Weiß umgeben sind (wie auch bei Le Chiffre und Blofeld der Fall), dann qualifiziert er sich damit selber für das höchste Amt im Satansdienst.“ Kingsley Amis berichtet, dieser medizinischen Kuriosität sei er im wirklichen Leben nur einmal begegnet: beim Statistiker einer medizinischen Forschergruppe in Wales. Seit einem oder zwei Jahren habe er nichts mehr von ihm gehört.

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* Siehe dazu auch https://blog.montyarnold.com/2021/01/04/no-time-to-die/

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