Abgesang auf die sympathische Art, einen Film zu versemmeln

betr.: „Alte Frauen in schlechten Filmen“ von Christoph Dompke

Das Buch „Alte Frauen in schlechten Filmen“ (dies war ursprünglich nur der griffige Untertitel) hat vor etwa 25 Jahren nicht nur für viel Heiterkeit unter den nostalgischen Filmfreunden gesorgt, es hat auch der Fachwelt imponiert. Die Problematik der weiblichen Alterskarriere vor der Filmkamera war bis dato noch gar nicht als Thema entdeckt worden. Hier wurde es nun sogar erschöpflich behandelt. Das wichtigste Lob dürfte das von Georg Seeßlen gewesen sein. Weiterhin freuten sich (allerseits veranlagte) Fans des schwulen Humors, der Ende der 90er Jahre noch von etlichen Künstlern auf der Schwelle zwischen Kleinkunst und Subkultur gepflegt wurde (wobei dieser Trend bereits rückläufig war).
Der Autor Christoph Dompke bespielte beide Bereiche, den des Filmkritikers und den des Damenimitators (ohne Vollplayback). Sein heutiges Projekt „Emmi & Willnowsky“ war gerade auf den Weg gebracht worden.

Der Urtext war – bei aller filmhistorischen Sorgfalt – tatsächlich eine Mischung aus einem seriösen Sachbuch und einem pointierten Bühnentext (einem Monolog der Figur der Kammersängerin Emmi).
Im Vorwort der nun vorgelegten 2. erweiterten Auflage wird in gewisser Weise auch darauf eingegangen. Einige sehr harte Urteile seien nämlich einkassiert, abgemildert oder doch differenziert worden. Das hängt nicht nur mit der vom Autor eingestandenen Altersmilde zusammen, es ist auch – dies nun die Einordnung des Rezensenten – auf das heutige Programmumfeld zurückzuführen, die geradewegs abwärts führende Reise, die das Niveau unserer gesamten Unterhaltungsbranche eingeschlagen hat. Es wäre angesichts dessen einfach zu herzlos, die Versäumnisse und Schiffbrüche der alten Diven in der bisherigen Weise aufzuspießen.
Selbstverständlich ist auch die Neuauflage deutlich und angemessen gnadenlos. Auf mich wirkt sie sogar noch komischer, weil sie dem realsatirischen Potenzial des Gegenstandes noch offensichtlicher vertraut.

Der besondere Reiz dieses Buches liegt unverändert darin, dass man geneigt ist, beim Lesen der Zitate, Inhaltsangaben und Produktionsumstände eine Übertreibung zu glauben, aber immer erkennt, dass dem nicht so ist. Krude Storylines, Zeugnisse der Selbstüberschätzung und die Hilflosigkeit angesichts übler Umstände sind sauber recherchiert – wie man jedesmal dann feststellt, wenn man eines der beschriebenen Werke noch in persönlicher Erinnerung hat.
Wir erfahren auch, dass dies die letzte Überarbeitung des Buches bleiben wird. Das Lebensgefühl des Camp, das für den Genuss der behandelten Filme so wichtig ist, sei nämlich aller Wahrscheinlichkeit nach aus der Filmkunst verschwunden (so ganz genau weiß man das ja immer erst hinterher).
Das hier nicht nur verrissen wird, sondern auch immer wieder alte Frauen in gelungenen Filmen gewürdigt werden (und sei es, um das Elend der übrigen deutlich zu machen), macht es so bedauerlich, dass die Performance von Jamie Lee Curtis in „Everything Everywhere All At Once“ keinen Eingang mehr in dieses Buch finden konnte. Curtis ist in ihrer tragenden Nebenrolle als gestrenge Finanzbeamtin in dieser irren Komödie (die tatsächlich zu weiten Teilen im Finanzamt spielt) auf eine Weise brillant, die nahelegt, dass sie aus den Versäumnissen gelernt hat, die in „Alte Frauen in schlechten Filmen“ analysiert werden. Aber das ist ein winziger Wehrmutstropfen.

Und wir können uns mit den Worten Gene Kellys trösten (seinen allerletzten auf der Leinwand): „Auch wenn wir so etwas nie wieder erleben werden, sind wir doch gesegnet mit Kilometern belichteten Films! Oder um es mit Irving Berlin zu sagen: ‚The song is ended, but the melody lingers on‘.“

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Eine Antwort zu Abgesang auf die sympathische Art, einen Film zu versemmeln

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