Peter Kreuder auf Schatzsuche

betr.: 64. Jahrestag der Premiere der Kreuder-Operette „Madame Scandaleuse“

Während ihre schwedischen Landsleute Zarah Leander ihre guten Kontakte zu den Nazis sehr verübelt haben, war ihr in der jungen Bonner Republik eine Fortsetzung ihrer großen Karriere beschieden – lediglich verringert um den silbrigen Glamour der großen Leinwand und heimgesucht von der zunehmenden Schludrigkeit der matronenhaften Diva.
Auch in Wien war sie weiterhin beliebt. Der Titel ihrer 1958er Musik-Komödie „Madame Scandaleuse“ von Peter Kreuder dichtet das in ihrem Evergreen „Yes Sir!“ umschriebene Rollenfach weiter: die Frau, die sich – je oller, je doller – die Butter nicht vom Brot nehmen lässt.
Auch Kreuder hat sich mit den Nazis sehr gut verstanden, aber als Komponist war er ein Mann des Hintergrunds, bei dem das Publikum sich für solche Details noch weniger interessierte.

Kreuder hat unzählige Hits geschrieben, doch einer seiner größten Einfälle könnte eine Ausgrabung gewesen sein. Die JohannStrauss-Operette „Blindekuh“ war im Dezember 1878 nach 16 Aufführungen abgesetzt worden. Es könnte am Libretto gelegen haben: eine verwirrende Angelegenheit, in der unentwegt neue Identitäten angenommen werden. Als sich am Ende alles wieder eingerenkt hat, fragt eine der Hauptpersonen, wieso man sich eigentlich diese Mühe gemacht habe, das Versteckspiel wäre doch gar nicht nötig gewesen. Das soll das Publikum auch so empfunden haben. 
Von „Blindekuh“ gibt es nicht einmal einen Querschnitt, geschweige denn eine Gesamtaufnahme. Immerhin – solche Wiederverwertungen waren üblich – hat Strauss eine Walzerfolge, eine Quadrille und drei Polkas für Orchester aus seinem Werk destilliert.

Wie das bei vergessenen Bühnenwerken manchmal so ist, ist ein Hit daraus hervorgegangen: „Sag beim Abschied leise servus“. Peter Kreuder hat ihn 1936 im Film „Burgtheater“ präsentiert. Die Melodie war ihm in „Blindekuh“ aufgefallen. Das geschah, als Kreuder die Strauss-Operette im Jahr vor dem „Burgtheater“-Film neu bearbeitete. Das Projekt wurde jedoch vom Reichsdramaturgen im Berliner Propagandaministerium abgelehnt. Zunächst war nur überliefert, die Tonfolge sei „in einer Polka“ versteckt gewesen. Und: da eine Polka im Zweivierteltakt gehalten und „Sag beim Abschied leise servus“ nun mal ein langsamer Walzer ist, musste Kreuder sie in den Dreivierteltakt übersetzt haben. Aber wo genau hat er sie aufgespürt? In den genannten Orchesterstücken ist sie ebensowenig enthalten wie in der Ouvertüre.
Der verstorbene WDR-Moderator Xaver Frühbeis fand sie schließlich im Klavierauszug auf Seite 131: in „Sie lachen über mich?“, einem Duett im zweiten Akt, das eine kurze Durchgangspassage enthält. An der Stelle „Mag er lachen – ha ha ha!“ beginnt Kreuders Fundstück. Strauss geht über diesen Einfall hinweg und nimmt ihn nie wieder auf. Welches Potenzial in diesen wenigen Takten steckt, hat erst Peter Kreuder erkannt.

Eine Gesangsaufnahme dieses Liedes existiert nicht. Man findet die Passage in der „Flitterpolka“, die in den 60er Jahren von einem Kapellmeister nach Strauss-Melodien eingerichtet wurde. Die Stelle „Mag er lachen – ha ha ha!“ kommt gleich zu Beginn und ist genauso schnell vorbei wie in der Operette.

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