Der unfeine Unterschied

„Wo Comedy draufsteht, ist Scheiße drin!“ sagte der große Humorist Heinz Strunk – und machte sich auf den Weg zum nächsten seiner vielen gutdotierten Auftritte in einer TV-Comedyshow.
Marie Serah Ebcinoglu, eine der Chefredakteurinnen des „Missy Magazine“, versuchte in ihrer Huldigung der Serie „Curb Your Enthusiasm“ einen differenzierteren Ansatz. Mit ihrem Lob widerspricht sie Heinz Strunk nicht, denn die von ihr gerühmten Tugenden des beispielhaften US-Komikers und Comedy-Produzenten Larry David sind in der deutschen Comedy – und die sind im obigen Zitat gemeint – kaum anzutreffen.

Worin sich gute Comedy von schlechter unterscheidet, hat sie sinngemäß so erklärt:
Wo gute Comedy unersprießliche Dinge verhandelt (Diskriminierung, den 11. September oder mentale Gesundheit …), möchte schlechte Comedy von Ressentiments profitieren. Hier nennt sie als Beispiel Felix Lobrecht. In seinem Netflix-Special zielen Witze über Behinderte nur darauf ab, dass ihn diese Leute nerven, weil sie Raum im öffentlichen Leben einnehmen, etwa durch Behindertenparkplätze. Wenn sich Larry David in seiner Show (in einer Rolle, die ebenso automatisch mit ihm zu verwechseln ist wie es die Persona Lobrecht mit der Person Lobrecht ist) über Behinderte ereifert, ist sofort klar, wer hier der Blöde ist: er selbst – und nicht etwa „Roland im Rollstuhl“ wie in Lobrechts Pointe. Larry David überzeichnet die allzumenschliche Verlegenheit Nichtbehinderter im Kontakt mit Behinderten. – Ich möchte hinzufügen, dass es dem schrägen alten Zausel Larry David bei dieser ironischen Brechung offenbar leichter fällt, sich zum Idioten seines Gags zu machen als dem coolen und entsprechend eitlen Felix Lobrecht, den sein Publikum nach Möglichkeit als tollen Hecht erleben soll. Da beide sehr wohl um ihre äußere Wirkung wissen und sie sehr bewusst einsetzen, dürfen wir ihre Kunst als ein persönliches Statement betrachten. Sie erzielen den gewünschten Effekt und bauen ihre ganze Performance auf der erzielten Reaktion auf.

Zu Beginn stellt Frau Ebcinoglu übrigens fest: „Lachen ist eine Gemeinschaftsangelegenheit.“ Das führt zu einer harten aber gerechten Methode, mit der jeder individuell herausfinden kann, ob das von ihm verehrte Programm seine Zuneigung eigentlich verdient hat und ob es wirklich gute Comedy ist: lache ich über diese Gags auch dann, wenn ich ganz allein vor dem Bildschirm sitze?

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