Endlich wiedergesehen: „Landhaus der toten Seelen“

Wir lernen die kleinbürgerliche Familie Rolf kennen: Vater Oliver Reed, Mutter Karen Black und den uncoolen 12jährigen Sohn Lee H. Montgomery. Später wird noch Vaters nette Tante Bette Davis dazukommen. Ein offensichtlich beknacktes, aber sehr servil auftretendes Geschwisterpaar überlässt der Familie seinen abgelegenen Südstaaten-Landsitz zu einem Schleuderpreis für die Sommerferien, wenn die Gäste sich gut um Haus und Garten kümmern und auch nach der uralten Mutter sehen, die in einer Dachkammer lebt, die sie nie verlässt.
Mutter Marian sorgt schließlich allein für das Wohlergehen dieser Frau, die wir nicht zu Gesicht zu bekommen. Nach einer Weile ereignet sich Wunderliches. Der liebevolle Vater Ben bringt den kleinen David mit unerwarteten irren Schüben in Gefahr. Marian beginnt, sich im Stil des 19. Jahrhunderts zu kleiden (offensichtlich die Klamotten der Frau unterm Dach) und findet die Einrichtung des Hauses bald wichtiger als das Wohl ihrer Angehörigen. Tante Elizabeth wird unerwartet krank und stirbt – nicht, ohne sich vorher noch mit Marian überworfen zu haben. Mit jeder Misslichkeit, die den Rolfs widerfährt, „verjüngt“ sich das alte Haus. Die Uhren ticken wieder, und sogar die vertrockneten Pflanzen im Gewächshaus beginnen wieder zu blühen. Als die Familie endlich die Flucht ergreift, ist schon alles im Eimer …

Ausnahmsweise einmal nicht selbst die Irre: Bette Davis mit Oliver Reed in „Burnt Offerings“

Im Bewusstsein, dass „Burnt Offerings“ – so der famose Originaltitel – nicht mehr ist als ein durchschnittlicher US-Gruselfilm von 1976 – einer wenig glanzvollen Ära des Horrorfilms -, hatte ich immer den Wunsch, ihn irgendwann wiederzusehen. Das kam so: ich habe ihn einst am hellichten Tag auf einem sehr schlechten Videorecorder gesehen. Nachdem ich mich 95 Minuten lang leidlich gut unterhalten hatte, kam es zu dieser Szene gegen Ende, wo die Familie sich endlich zur Abreise entschließt. Natürlich wissen wir, dass das nicht geschehen wird, und als Marian schließlich darauf besteht, noch einmal reinzugehen, um sich von der alten Dame zu verabschieden, können wir Ben keinen Vorwurf machen, dass er das nicht verhindert – wir alle wären in dieser Situation ebenso hilflos.
Die Szene, als Oliver Reed endlich die verbotene (erstmals unverschlossene) Tür auftut, hat mich aufs Tiefste schockiert. Um die unscharfen Bilder auf dem kleinen Bildschirm herum wurde mein Gesichtsfeld vollkommen weiß, und ich hatte einen Druck auf den Ohren, wie bei einem Hörsturz. Der irre, hasserfüllte Blick der Frau im Lehnstuhl traf mich ganz direkt.
Ich war sprachlos.
Ohne zu erwarten, dass sich dieser Effekt 35 Jahre später (nach Einbruch der Dunkelheit und auf einem viel besseren Abspielgerät) wiederholen ließe, war ich doch sehr glücklich über die Muße, das Werk wiederzusehen.

„Landhaus der toten Seelen“, ein Nebenwerk aus jedem erdenklichen Blickwinkel, hat sich gut geschlagen. Er ist kein bisschen angestaubter als seinerzeit, und seine Tugenden weiß ich heute viel besser zu schätzen. Da ist die völlige Normalität dieser Familie, die kein bisschen filmstarhaft wirkt und in ihrem Bemühen, die gemeinsame Freizeit mit „lustigem“ Smalltalk herumzukriegen, geradezu rührend wirkt. Da ist der weitgehend natürliche Tod der Tante (Bette Davis verzichtet grandios auf alles Grandiose oder Irre, dass sie sonst auszeichnet, und stirbt im Krankenbett, was schlimm genug ist). Da ist schließlich die atmosphärische Zurückhaltung, in der sich die schöne alte Immobilie mit dem verwilderten Grundstück darauf verlässt, dass wir schon genug konventionelle Spukhausfilme gesehen haben. Das handelsübliche Knarren der Dielen und die wehenden Vorhänge fallen kaum auf, und die längste Zeit der Handlung scheint die Sonne.
Dass doch alles die erwartbare schlimmstmögliche Wendung nimmt, ist dann nur umso entsetzlicher.

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